Seit der Spielzeit 2022/23 ist der US-amerikanische Bariton Mitglied des Opernstudios – und war schon in vielen Rollen zu erleben. Ein Porträt.
Neben Auftritten in der Soiree des Opernstudios und in der beliebten Reihe Intermezzo sowie jüngst im Rahmen von Mainly Mozartauf dem Schiff der Primus-Linie interpretiert der junge Sänger bereits in seinem ersten Jahr im Opernstudio gleich acht Partien im regulären Spielplan – davon vier auf der großen Bühne des Opernhauses.
Zu seinen Rollen zählten bisher: Haushofmeister (Capriccio), Masetto (Don Giovanni), Elviro (Xerxes) und Herzog Hoël (Le vin herbé). Hinzu kommen im Bockenheimer Depot Leone (Tamerlano), gefolgt von Edgar in der Uraufführung von Vito Žurajs Blühen sowie zwei Charaktere im Doppelabend von Benjamin Brittens Kirchenparabeln – Älterer Sohn (The Prodigal Son) und Herold (The Burning Fiery Furnace).Alle diese Partien sind Rollendebüts, obendrein in vier verschiedenen Sprachen und sehr verschiedenen Stilen. »Das ist ein großes Glück!«, sagt Jarrett – und fügt hinzu: »Was ich mir allerdings immer wieder sagen muss, denn es ist auch wahnsinnig viel zu lernen…«
»Was ich mir allerdings immer wieder sagen muss, denn es ist auch wahnsinnig viel zu lernen…«
Learning by doing: ins kalte Wasser springen statt Trockenschwimmen
Während an den Opernstudios anderer Opernhäuser – neben der täglichen Fortbildung in den Bereichen Stimmbildung und Gesangstechnik sowie der Arbeit am Repertoire – häufig kleinere Projekte der Stipendiat*innen im Vordergrund stehen, steigt man in Frankfurt von Anfang an voll ein: Learning by doing, sozusagen. Und das ist der Grund, warum der Bariton sich für die Mainmetropole entschied, obwohl es Angebote von anderen Häusern gab. »Genau das habe ich gebraucht: Gleich ins kalte Wasser springen statt Trockenschwimmen.«
In der Kindheit und Jugend stand der Gesang erst einmal gar nicht im Vordergrund. Jarrett spielt bis heute nicht weniger als vier Instrumente: neben Klavier auch Violoncello, Querflöte und Klarinette. So war der Berufswunsch zunächst Orchestermusiker. Doch viele Mitglieder der großen Orchester haben zugleich eine Professur; das habe ihn nie interessiert. Ein Lehrer in der High School mit Broadway-Erfahrung brachte ihn dann dazu, sich mehr auf seine schöne Stimme zu konzentrieren. So begann der Heranwachsende aus New Jersey mit Gesangsstunden und schaffte die Aufnahmeprüfung an der Eastman Music School der University of Rochester.
Kunstlied und Opernkarriere verbinden, das ist das Ziel
Hier verliebte er sich in das Genre Kunstlied – vor allem das deutsche: »Ich habe mir alle Aufnahmen von Fischer-Dieskau besorgt und sie wieder und wieder gehört.« Als Artist in Residence hatte er zuletzt beim Marlboro Festival 2022 die Gelegenheit, diese Leidenschaft auszuleben. Doch nur als Liedsänger kann man heute kein Berufsleben bestreiten. So entdeckte er die Welt des Musiktheaters – und hat sich zum Ziel gesetzt, die beiden Seiten miteinander zu verbinden. »Ich möchte ein Lied mit derselben dramatischen Energie durchdringen wie eine Opernfigur; umgekehrt möchte ich die Phrasierungskultur beim Lied auch in die Gestaltung meiner Rollen auf der Opernbühne einbringen.«
Die Ausbildung setzte sich fort an der renommierten Juilliard School in New York. Schon währenddessen folgten erste Bühnenerfahrungen, u.a. an der Arizona Opera und in Santa Fe. Eine wichtige Station war das Opera Theater of Saint Louis. Hier bekam er gleich die große Chance, eine Hauptrolle zu singen – und das in einem zeitgenössischen Werk: In der Uraufführung von Tobias Pickers Oper Awakenings übernahm er die Rolle des Neurologen Oliver Sacks, dessen populärwissenschaftliche Bücher (etwa Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte) auch bei uns sehr bekannt sind. Zuvor war er bereits bei den Uraufführungen von Steve Mackeys Moon Tea und Damien Sneeds The Tongue & The Lash aufgetreten. Die zeitgenössische Musik ist ihm nach wie vor ein großes Anliegen.
Umso mehr hat es ihn gefreut, mit Blühen von Vito Žuraj auch an der Oper Frankfurt eine Uraufführung mitgestalten zu können. Dabei hat der gelernte Pianist einen Trick angewendet, um sich die Gesangslinie leichter aneignen zu können: Er hat sich am Klavier eine Begleitung dafür ausgedacht, die näher an tonalen Harmonien war, als es in der Originalpartitur des slowenischen Komponisten der Fall ist. Denn die Oper ist an vielen Stellen sehr melodisch aufgebaut; doch sobald das Ensemble Modern dann in den Endproben dazukam und die komplexe Partitur spielte, war es nicht immer ganz einfach, den richtigen Ton zu finden.
Das Opernstudio ist wie ein Brutkasten
Sein Deutschland-Debüt gab Jarrett Porter bei der Internationalen Meistersinger Akademie in Neumarkt, wo er mit den Nürnberger Symphonikern auftrat. Dort hörte ihn Bernd Loebe und lud ihn zum Vorsingen ein. Dann schlug erst einmal die Pandemie zu; doch während er das letzte Jahr an der Juilliard School absolvierte, hatte er glücklicherweise schon die Zusage für Frankfurt in der Tasche, was ihm half, die lange Durststrecke zu überstehen.
»Was mir in Frankfurt besonders gefällt, ist der Umstand, dass auch im Ensemble viele junge Sänger*innen sind; viele von ihnen haben ebenfalls das Opernstudio durchlaufen. Man bekommt sofort eine Vorstellung davon, wohin der Weg führen könnte.« Dabei gibt es durchaus Unterschiede, wie die einzelnen Mitglieder des Opernstudios mit dem Feedback der verschiedenen Dozent*innen umgehen. Für Jarrett kommt es darauf an, was man daraus macht: »Das Studio ist für mich wie ein Brutkasten. Und wenn man die vielen Hinweise und kritischen Beobachtungen, die man bekommt, dann gleich in der Praxis ausprobieren kann, stärkt das enorm das Selbstvertrauen.«
»Was mir in Frankfurt besonders gefällt, ist der Umstand, dass auch im Ensemble viele junge Sänger*innen sind; viele von ihnen haben ebenfalls das Opernstudio durchlaufen.«
An der Rampe stehen und singen? Das geht gar nicht!
Die Antwort auf die Frage nach der absoluten Traumrolle kommt schnell: Eugen Onegin. »Ich liebe Tschaikowskis Musik! Aber auch Janáček oder Bartók – zum Beispiel Herzog Blaubarts Burg.« Dass man für dieses Repertoire die Phonetik und Satzmelodie von Russisch, Tschechisch und Ungarisch studieren muss, schreckt ihn nicht ab; im Gegenteil: Sprachen faszinieren ihn. Und was das Zeitgenössische betrifft: George Benjamin ist ein Lieblingskomponist. Einigen Respekt hat der junge Sänger dagegen vor dem Belcanto. Da möchte er im Opernstudio unbedingt weiterkommen; denn die Stimme – früher hätte man vielleicht von einem »Kavaliersbariton« gesprochen – scheint durchaus dafür geschaffen.
Eines findet Jarrett unerträglich: Sängerinnen, die sich auf einer Opernbühne an die Rampe stellen und nichts tun als zu singen. »Das geht gar nicht! Leider lassen sich viel zu viele junge Kolleginnen von ihren Lehrer*innen einreden, sie müssten bestimmte Bewegungen oder Körperstellungen vermeiden, weil das die Atemkontrolle schwächt etc. Eine solche Haltung kann ich nicht akzeptieren. Gott sei Dank gibt es im Ensemble der Oper Frankfurt keinen Platz dafür.«
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