Seit Beginn der Spielzeit 2022/23 ist Helene Feldbauer Mitglied unseres Opernstudios. Im folgenden Porträt erzählt die Mezzosopranistin von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof, von Herausforderungen des Sängerinnen-Daseins und der positiven Wirkung des Ensemblespiels.
Wenn Helene Feldbauer an ihre oberösterreichische Heimat denkt, kommt ihr sofort der Geruch von frisch gemähtem Gras in den Sinn. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, verbrachte sie den Großteil ihrer Zeit im Freien. Ihre Mutter hatte dementsprechend alle Hände voll zu tun, Helene und ihre Geschwister abends wieder ins Haus zurückzubeordern. »Ein Nein habe ich nie akzeptiert«, erklärt die Mezzosopranistin keck. Im Alter von zehn Jahren bastelte sie sich etwa heimlich einen Hasenstall und besorgte sich im Nachbarort ein Kaninchen – trotz ausdrücklichen elterlichen Verbotes.
Die Schule empfand Helene zunächst als »Gefängnis«. »Ich wollte frei sein, und mir nicht sagen lassen, was ich zu tun habe. Fast ein bisschen wie Heidi …«, sagt sie lachend. Einen Ort zur kreativen Entfaltung fand sie schließlich in der lokalen Blasmusikkapelle, die eine ausgezeichnete Jugendarbeit betrieb. »Mein Vater war dort Obmann und so war es für mich naheliegend, ein Blasinstrument zu lernen.« Die Wahl fiel auf Klarinette und Oboe und bis heute musiziert sie auf Heimatbesuchen gerne mit ihren alten Weggefährten, von denen gleich mehrere eine professionelle Musikkarriere eingeschlagen haben.
Auch Helene verspürte nach der Matura den Wunsch, die Musik zur ihrem Beruf zu machen. Zunächst bewarb sie sich für ein Schulmusik-Studium mit Hauptfach Klarinette sowie Gesang und Klavier im Nebenfach. »Bei der Aufnahmeprüfung fragten mich die Dozenten, seit wann ich Gesangsunterricht nehme. Ich antwortete wahrheitsgemäß: ›Noch gar nicht.‹ Daraufhin schlugen sie mir vor, Gesang im Hauptfach zu belegen, was ich dann auch tat.«
»Ich wollte frei sein, und mir nicht sagen lassen, was ich zu tun habe. Fast ein bisschen wie Heidi …«
Ein Sprung ins kalte Wasser, auf den viele weitere folgen sollten. Im Anschluss an das Lehramtsstudium wechselte Helene in die Gesangsklasse von Margit Klaushofer an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst. Schon nach wenigen Wochen gelangte sie wie durch Zufall an ihre erste Opernrolle: »Um Castingerfahrung zu sammeln, sang ich für die Rolle der Larina in Eugen Onegin vor ̶ und wurde prompt genommen. Womit ich nicht gerechnet hatte: Der Klavierauszug war komplett auf kyrillisch geschrieben …« Helene suchte sich daraufhin einen Sprachcoach, büffelte Russisch und bestand die Feuertaufe im Schönbrunner Schlosstheater.
Bereits während des Studiums wurde Helene auf das Frankfurter Opernstudio aufmerksam, »aufgrund der exzellenten künstlerischen Qualität«, wie sie sagt. Wie es der Zufall will, hielt Intendant Bernd Loebe an ihrer Universität einen Vortrag im Fach »Karrierementoring« und hörte zudem ein Vorsingen der Studierenden an. Im Anschluss daran fragte er Helene, ob sie schon ein Engagement habe, woraufhin sie antwortete, dass sie sich vor kurzem in Frankfurt beworben habe.
»Genau diese Situationen machen unseren Beruf aus: Entweder man nimmt die Herausforderung an und kommt weiter, oder man gibt halt auf, was aber nicht meinem Naturell entspricht.«
Die Anfangszeit im hiesigen Opernstudio war für Helene zunächst eine deutliche Umstellung: »Im Studium habe ich sehr kontinuierlich mit zwei Dozent*innen gearbeitet. Im Opernstudio haben wir teilweise jede Woche einen anderen Meisterkurs und bekommen dabei unglaublich vielfältigen Input. Das ist einerseits großartig, weil ich wie ein Schwamm ganz viel davon aufsaugen kann; zugleich muss man aber immer auch reflektieren, was gut für einen selbst ist. Denn jeder Körper und jede Stimme funktioniert anders.«
Am leichtesten fällt ihr das Singen, wenn sie mit tollen Kolleg*innen auf der Bühne steht: »Wenn meine Bühnenpartner eine gute Gesangstechnik haben, springen meine Spiegelneuronen an und sofort stimmt auch bei mir einfach alles: Stimmsitz, Atmung, Artikulation.« Eine großartige Erfahrung war für Helene etwa ihr Frankfurt-Debüt als Lehrbube in Wagners Meistersingern.
»Nicholas Brownlee als Hans Sachs war einfach überwältigend: Seine Stimme ist so raumgreifend, dass man gar nicht weiß, wo sie anfängt und aufhört.«
Trailer zu »Die Meistersinger von Nürnberg« von Richard Wagner | Oper Frankfurt
In diesem Frühjahr steht Helene nicht nur in WeillsDer Zar lässt sich fotografieren, sondern auch als Magd in Elektraauf der Bühne. »Elektra ist für mich nicht nur wegen der enormen Orchestergröße eine neuartige Erfahrung. Im Gegensatz zu den Meistersingern sind wir Frauen diesmal in der Überzahl und besetzen sogar die Männergarderoben! Ich genieße sehr den solidarischen Umgang miteinander. Meine erfahreneren Kolleginnen bieten mir z.B. auch abseits der Proben kleine Coachings an«, schwärmt die Mezzosopranistin.
Zu den Besonderheiten ihres Stimmfaches gehört es, immer wieder auch männliche Charaktere, so genannte »Hosenrollen«, zu verkörpern. Helene stand in der Vergangenheit beispielsweise als Hänsel auf der Bühne und brillierte jüngst bei den Tiroler Festspielen Erl als Graf Orlofsky in der Fledermaus. Das Genre der Operette findet Helene generell sehr spannend ̶ und maßlos unterschätzt: »In den Operetten der Jahrhundertwende und des frühen 20. Jahrhunderts verbinden sich Entertainment und beißende Zeitkritik auf kongeniale Weise. Leider gerieten durch die Kulturpolitik der Nationalsozialisten viele Werke in Vergessenheit und es entstand das Klischee, Operetten seien ausschließlich seicht und kitschig. Es ist höchste Zeit, das Genre neu zu entdecken und den subversiven, anarchischen Geist darin wieder freizulegen!«
»Mein Traum ist es, später am Land zu leben und parallel an tollen Häusern zu gastieren. Aber jetzt muss erstmal meine Karriere anlaufen. Und das bedeutet viel Arbeit an meiner Stimme. Denn wer rastet, der rostet!«
Obwohl sich Helene mittlerweile gut in Frankfurt eingelebt hat, verspürt sie immer noch etwas Heimweh nach Wien: »Die Kaffeehauskultur dort ist fantastisch, und man begegnet manchmal einfach zufällig Persönlichkeiten wie Luca Pisaroni oder Anna Netrebko in der U-Bahn.« An Frankfurt, dem »Big Apple von Europa«, schätzt Helene die urbane Qualität und vor allem die Begeisterung, die unser Opernpublikum dem Ensemble entgegen bringt. Ihren zukünftigen Lebensmittelpunkt sieht die Sängerin aber wieder abseits der Metropolen:
Keine andere Oper Giuseppe Verdis treibt so atemlos und zielgerichtet ihrem tragischen Ende entgegen, wie Rigoletto. Regisseur Hendrik Müller hat in seiner Inszenierung keine Scheu vor starken Bildern und grellen Effekten, ohne dabei die tragische Selbstzerstörung der Titelfigur aus dem Blick zu verlieren. Rigoletto – vom 4. Oktober – 8. November 2024 an der Oper Frankfurt.
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