22.11.2024
DIE NACHT VOR WEIHNACHTEN
Nach einer gefeierten Premierenserie kehrt die »Aufführung des Jahres 2022« (Opernwelt) auf die große Bühne zurück. Die Nacht vor Weihnachten können Sie vom 6. – 25. Dezember 2024 an der Oper Frankfurt erleben.
Seit der Spielzeit 2022/23 ist Clara Kim Mitglied im Opernstudio der Oper Frankfurt und begeisterte das Publikum direkt als Pamina in Mozarts Zauberflöte. Im Folgenden erzählt die Sopranistin von prägenden Gesangslehrerinnen, hilfreichen Tricks gegen Schaffenskrisen und der großen Freiheit, die sie auf der Opernbühne empfindet.
Große Städte scheinen sich wie ein roter Faden durch Clara Kims Biografie zu ziehen. Aufgewachsen ist die junge Sopranistin in der südkoreanischen Hauptstadt, bei der sie durchaus einige Parallelen zur hiesigen Mainmetropole erkennt: »Durch beide Städte fließt ein großer, breiter Fluss, an dem sich im Sommer das Leben tummelt, und hier wie dort gibt es zahlreiche Hochhäuser«, so die Sängerin.
Mitten in Seoul befand sich die Wohnung ihrer Eltern, wo Clara schon als Kleinkind ihre Liebe zur Musik entdeckte. »Kurz bevor meine Mutter mit mir schwanger wurde, hatte sie ihren Job in der Finanzbranche aufgegeben und ein Gesangsstudium begonnen. Als ich auf die Welt kam, war sie völlig verrückt nach Opern!« Für eine Bühnenkarriere war es da schon zu spät, doch wurde ihre Mutter zu einer passionierten Lehrerin, wovon auch Clara profitierte: »Sie war von Beginn an mein Coach, und diese Erfahrungen bilden bis heute die Basis meiner Gesangstechnik.« Ihr Vater, der »Opern liebt, aber beim Singen keinen Ton trifft«, ertrug es mit Geduld, dass Ehefrau und Tochter stundenlang Aufnahmen von Callas und Co. hörten und dabei mitsangen.
Bereits als Jugendliche nahm Clara an zahlreichen Gesangswettbewerben teil, zunächst noch vorwiegend mit Konzertrepertoire. Während des Gesangsstudiums in Seoul folgte mit Donna Anna in Don Giovanni ihre erste große Opernrolle – eine neue, beglückende Erfahrung:
»Vor Konzertauftritten war ich meistens recht nervös, aber auf der Opernbühne empfand ich plötzlich viel weniger Stress. Schon die Probenarbeit inspirierte mich enorm, und das Miteinander mit meinen Kolleg*innen verlieh mir eine ungeahnte Freiheit.«
Der Traum einer Opernkarriere führte Clara schließlich nach New York, wo sie an der Juilliard School einen Master absolvierte. »Das erste Jahr dort war wahrscheinlich das anstrengendste und lehrreichste meines Lebens. Ich bekam erstmals richtigen Schauspielunterricht und wurde dadurch auf der Bühne viel flexibler. Während der zwei Jahre in New York fand ich zunehmend zu meiner künstlerischen Identität als Solistin.«
Eine wichtige Partnerin war dabei die berühmte kanadische Sopranistin Edith Wiens. »Der Gesangsunterricht bei Edith hob meine Technik nochmals auf ein ganz neues Niveau«, schwärmt Clara. Ein Grund dafür lag in einer speziellen, außergewöhnlich nachhaltigen Methode: Edith Wiens bat sie, zwei verschiedene Notizbücher zu führen – ein »Technikbuch« und ein »Musikbuch«. Bis heute zieht Clara diese immer wieder zu Rate, wenn es knifflig wird: »Während einer Probenphase passiert es manchmal, dass bestimmte Stellen immer schlechter werden. Es entwickelt sich eine Abwärtsspirale, und man weiß nicht genau, woran es liegt. In solchen Fällen schaue ich in meinem Technikbuch nach und finde dort meist die passende Übung, um meine Probleme zu lösen – sei es, dass ich mir beim Singen einen Bleistift unter die Zunge lege, oder mir einfach den Kiefer massiere.«
Im »Musikbuch« wiederum finden sich zahlreiche Anmerkungen zur musikalischen Gestaltung. Diese helfen Clara dabei, einzelnen Phrasen jeweils die richtige Klangfarbe und Emotion zu verleihen:
»Es gibt einige grundlegende Gefühle, die in verschiedenen Stücken wiederkehren: Man ist glücklich, verrückt, traurig, wütend, enttäuscht, frustriert … Wenn ich an einer Arie arbeite, schreibe ich mir bei jeder Phrase die dazugehörige Emotion in die Noten. Mein Ziel ist es, die Musik immer wieder neu mit Herz und Leben zu füllen.«
Intendant Bernd Loebe versuchte die Sopranistin bereits im Sommer 2021 ins Frankfurter Opernstudio zu engagieren, doch wollte Clara zuvor noch mehr Bühnenerfahrung sammeln. Sie entschied sich für ein einjähriges Künstlerdiplom am renommierten Royal Kings College in London, wodurch sie »nochmals eine ganz neue Sicherheit als Darstellerin gewann«.
In London stand Clara unter anderem als Pamina in der Zauberflöte auf der Bühne. Wie sehr sie diese Rolle durchdrungen hat, konnte sie Anfang dieser Spielzeit bei ihrem bejubelten Debüt an der Oper Frankfurt beweisen. Die Arbeit mit Regisseur Ted Huffman an Mozarts meistgespielter Oper empfand sie als eine große Bereicherung ̶ gerade auch auf schauspielerischer Ebene:
Dass ihre erste Partie an der Oper Frankfurt gleich eine Hauptrolle in der Eröffnungspremiere war, empfand Clara nicht als Druck, sondern als »pures Glück« – nicht zuletzt, weil sie während der Proben viel Unterstützung von den anderen Ensemblemitgliedern bekam. Dennoch genießt sie es auch, als Taumännchen in der Wiederaufnahme von Hänsel und Gretel etwas weniger im Fokus zu stehen, wenngleich die Partie stimmlich ebenfalls sehr herausfordernd ist. Bei all der intensiven Probenarbeit blieb bislang noch nicht viel Zeit, um Frankfurt als Stadt kennenzulernen. Und so kam auch ihr größtes Hobby etwas zu kurz: das Tanzen. Als Kind betrieb Clara professionell Eiskunstlauf und besuchte zahlreiche Ballett- und Modern-Dance-Kurse. Die dabei erlernten Fähigkeiten macht sie sich nun als Sängerin zunutze: »Tanzen hilft sehr beim Singen, weshalb ich vor jeder Aufführung neben Dehnübungen immer auch ein paar Tanzbewegungen mache. Das lockert die Muskeln, baut Stress ab und ist sehr gut für die Stimme.«
»Ich liebe meinen Beruf, manchmal vielleicht sogar zu sehr.«
Eine gewisse Lockerheit kann sie in den kommenden Wochen sicherlich gut gebrauchen. Nachdem Clara jüngst bei der Soiree des Opernstudios mit Arien von Bellini und Rimski-Korsakow glänzte, steht im Dezember ein sehr besonderes Projekt an: Gemeinsam mit Ensemblekollege Peter Marsh ist sie in der Oper to go mit dem Titel Chagalls Farbenspiel zu erleben, die nicht nur im Holzfoyer, sondern auch zweimal im Rahmen der Chagall-Ausstellung in der Frankfurter Schirn zu sehen sein wird. Und wie immer ist Clara natürlich voller Vorfreude darauf, denn – wie sie schmunzelnd sagt:
SZENENFOTOS Barbara Aumüller
FOTOS Seehund.Media GmbH
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Veröffentlicht am
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