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Interviews

»MACBETH«-KOSTÜMBILDNERIN DOEY LÜTHI IM PORTRÄT

EINE GESCHICHTE KREATIVER ZUSAMMENARBEIT

Was verbindet Verdis Macbeth mit der Welt der Superreichen und einer schillernden Halloween-Party? Die Antwort liegt in den eindrucksvollen Kostümen von Doey Lüthi, die gemeinsam mit Regisseur R.B. Schlather für die Oper Frankfurt eine moderne Interpretation des Klassikers geschaffen hat. Entdecken Sie, wie die Kostümbildnerin mit ihrem transatlantischen Hintergrund und ihrem kreativen Ansatz die Inszenierungen prägt.

Ein transatlantisches Leben

Wurzeln und Werdegang

Ihr Debüt an der Oper Frankfurt gab die Kostümbildnerin Doey Lüthi 2018 mit Olga Neuwirths Lost Highway in der Inszenierung von Yuval Sharon im Bockenheimer Depot. Seither hat die Künstlerin hier für vier weitere Neuinszenierungen die Kostüme gestaltet; zuletzt für Verdis Macbeth (Premiere am 1. Dezember 2024). Diese vier Arbeiten entstanden jeweils in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur R.B. Schlather, der sie stets vom ersten Moment an in seine konzeptionellen Überlegungen einbezieht.

Bildunterschruft:
Szenenfoto aus »Macbeth« mit dem Chor und Kinderchor der Oper Frankfurt © Monika Rittershaus

Wenn man auf Herkunft und bisherigen Weg von Doey Lüthi schaut, fällt eine doppelte Identität ins Auge: Ihre Mutter ist US-Amerikanerin, ihr Vater Schweizer. Aufgewachsen ist sie bereits zweisprachig. Ihre Kindheit und Jugend hat sie auf dem Hasliberg im idyllischen Berner Oberland verbracht. »Idyllisch« ist hier keine Floskel: Ihre Eltern leiteten die internationale Internatsschule École d’ Humanité. Neben der wunderschönen Lage in den Schweizer Alpen trägt auch das pädagogische Konzept dazu bei: der Unterricht in Kleingruppen widmet sich nicht nur den üblichen Fächern, sondern legt auch auf musisch-künstlerische Aktivitäten einen Schwerpunkt.

»Ein ganz schöner Kulturschock.«
Doey Lüthi über Ihren Umzug an die Ostküse der USA

Zum Studium ging es dann an die amerikanische Ostküste: ans Wellesley College in der Nähe von Boston. »Ein ganz schöner Kulturschock«, sagt Doey. Das Grundstudium in Studio Art (als Voraussetzung für die Spezialisierung in einer der visuellen Künste) schloss sie mit einer Arbeit ab, die sie selbst als begehbare Installation beschreibt: »Eine Art Bühnenbild.«

Danach absolvierte sie ihren Master an der renommierten Tisch School for the Arts an der New York University. New York war eine in jeder Hinsicht prägende Zeit. Zumal sie dort als Dozent dem Bühnen- und Kostümbildner Paul Steinberg begegnete, der ihr Mentor wurde. Mit ihm kehrte sie als Assistentin an die Oper Köln zurück. Er brachte sie auch mit Regisseuren wie Christopher Alden für erste eigene Arbeiten zusammen. Zugleich kamen ihre beiden Töchter zur Welt: »Als junge Mutter war es dann einfacher, im Musiktheater zu arbeiten – das ließ sich längerfristiger planen im Vergleich zum Sprechtheater.«

Eine kreative Partnerschaft

Zusammenarbeit mit Regisseur R.B. Schlather

Dem Musiktheater ist Doey Lüthi treu geblieben und hat inzwischen international eine Vielzahl von Produktionen erarbeitet mit Choreografen wie Michael Keegan-Dolan und Regisseur*innen wie Daniel Fish, Christopher Alden, Elina Finkel oder Ted Huffmann. Ihre »doppelte« Identität und Sozialisation zwischen Europa und den USA war stets hilfreich, wobei sie hauptsächlich in Europa arbeitet. Bei einer Produktion in den USA begegnete sie erstmals R.B. Schlather; das war vor vielen Jahren – er war Hospitant bei einer Imeneo-Inszenierung an der Glimmerglass Opera in New York ... und die beiden sind im Kontakt geblieben.

So kam es 2019 zur ersten Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Regisseur: für Händels Tamerlano an der Oper Frankfurt. Eine ungewöhnliche Produktion, auch vom Bühnenbild her: Paul Steinberg verwandelte das Bockenheimer Depot in eine Art Gefängnis, in das man sich als Publikum hineingeben musste – sozusagen als Gefangene des Diktators Tamerlan. Eine Zusammenarbeit, die sich bei Cimarosas L’italiana in Londra, ebenfalls im Bühnenbild von Paul Steinberg fortsetzte. Für Madama Butterfly war dann Johannes Leiacker der Partner als Bühnenbildner, während für Macbeth Etienne Pluss erstmals mit Doey und R.B. Schlather ein Team bildete.

Die Welt der Macbeths

Kostüme zwischen Macht, Gier und Zerfall

Die Kostüme für die Verdi-Oper Macbeth stellen Bezüge zur heutigen Welt der Superreichen und Mächtigen her – und zum Apparat der Angestellten, die solch ein luxuriöses Leben ermöglichen.

Doey: »Der Chor erscheint mal in Dienstkleidung, mal als für eine Halloween-Party kostümiert, mal als Gäste beim großen (Weihnachts-)Fest im Finale des Zweiten Akts in neureich-vulgärer Abendgarderobe. Auch die beiden Hauptfiguren verändern sich im Laufe des Abends mehrmals: aus ihrem Leben in wohlhabender Muße durch Ambition und Gier herausgerissen, begehen sie den ersten Mord. Nachdem die blutigen Turnschuhe im Finale des Ersten Akts unter dem Bademantel zum Verschwinden gebracht wurden, gilt es standesgemäß zu repräsentieren. Die Macbeths werden beim Fest zu den Gastebern ihrer eigenen Show. Es gibt glitzernde Tänzerinnen als Darbietung zum grotesken Partyspiel. Und schon verblasst der Schein wieder: Die beiden zerbrechen am Geschehenen; die ›Rüstung‹ des sozialen Aufstiegs bröckelt, und beide sind (auch im Kostüm) komplett reduziert.« 

Es gibt Überraschungen wie den Chor der Mörder; die Kostümbildnerin hierzu:

»Die Herren im Smoking, passend zur Szene, die R.B. Schlather dafür erfunden hat – man stößt mit Champagner darauf an, dass der aufrechte Banquo wohl demnächst sein Leben lassen wird. Die Kostüme der Geistererscheinungen im Dritten Akt ergeben irreal zusammengewürfelte Bilder einer zuvor erlebten Realität, die sich in Macbeths alptraumhaftem Erleben als Schreckbilder zusammenfügen. Der Chor der aus Schottland Geflüchteten im Vierten Akt wiederum zeigt die Auswirkungen des bösen Tuns von Macbeth und Lady Macbeth im harten Kontrast zwischen dem weißen Bühnenbild und den durchweg schwarzen Chorkostümen einer aufgebrachten Meute.« 

Zwischen Tradition und Moderne

Wie Doey Lüthi Kostüme zum Leben erweckt

Die an der Oper Frankfurt entstandenen Arbeiten fallen allesamt durch eine entschieden zeitgenössische Ästhetik auf. Auf die Frage, ob sie sich auch schon mit anderen Epochen beschäftigt hat, antwortet Doey: »Natürlich! Zum Beispiel Kostüme aus der Entstehungszeit von Cherubinis Medea, also Ende des 18. Jahrhunderts, in David McVicars Inszenierung an der New Yorker Met. Oder bei Cavallis La Calisto an der Mailänder Scala, wo wir in Barockkostümen geradezu geschwelgt haben. Dafür bekam ich den Preis der italienischen Musikkritik, den Premio Abbiati. Man muss sich die jeweilige Mode vergangener Epochen kreativ zu Eigen machen, damit es nicht museal wird. Bei zeitgenössischer Kleidung wiederum bewegt man sich in einem System von Codes, die man aufrufen kann. Da muss man genau wissen, welche Assoziationen man auslösen möchte.«

Bildunterschruft:
Szenenfoto aus »Medea« an der Metropolitan Opera © Marty Sohl

Betrachtet man die Kostümentwürfe von Doey Lüthi, fällt auf, dass sie sich zwar auch zeichnerisch ausdrückt, häufig jedoch mit Collagen arbeitet. Dazu die Künstlerin: »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Regisseure zwar gezeichnete Figurinen meist ganz toll finden, sie aber nicht immer lesen können. Vor allem bei zeitgenössischen Kostümen funktioniert es klarer, mit Fotografien zu arbeiten. Figurinen sind ein Mittel, um sich darüber zu verständigen, was man erzählen will. Deshalb kombiniere ich vorhandenes Bildmaterial mit Zeichnungen. Den Begriff Collage kann man auf das Genre Musiktheater als Ganzes anwenden; R.B. Schlather sagt das ganz explizit: Text, Musik, Gestik, die Darsteller*innen im Raum und das, was sie anhaben, das alles trifft aufeinander und bildet etwas Neues.«

Einen großen Unterschied macht es für Doey, ob ein Theater eigene Werkstätten hat – was bei den meisten Opernhäusern in Deutschland der Fall ist – oder nicht. Wenn die Kostüme im Haus gefertigt werden, freut sie sich über das große Wissen und den Erfahrungsschatz, der in den Abteilungen  vorhanden ist. »Und zwar sowohl handwerkliches Wissen als auch die Kenntnis der Sängerpersönlichkeiten, mit denen man es zu tun hat. Ich liebe es, sehr eng mit den Menschen zusammenzuarbeiten, die meine Entwürfe umsetzen – und meine Kostüme können immer nur so gut sein wie das, was wir zusammen erschaffen.«

Bildunterschruft:
Szenenfoto aus »Macbeth« © Monika Rittershaus

Jetzt heißt es schnell sein

»Macbeth« läuft bis zum 1. Februar 2025 an der Oper Frankfurt. Es sind nur noch wenige Restkarten vorhanden.

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SZENENFOTOS Barbara Aumüller, Monika Rittershaus, Marty Sohl

FOTOS Mats Bäcker

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Veröffentlicht am

03.01.2025

Willy-Brandt-Platz

Spielort

Willy-Brandt-Platz

60311 Frankfurt am Main

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