2002 habe ich Händels Hercules zum ersten Mal in einem Konzert dirigiert. Ich war sofort von der lebendigen, harmonischen und dramatischen Musiksprache beeindruckt, und es war mir ein großes Vergnügen, dieses wunderbare Werk für unsere Aufführung hier in Frankfurt zu vertiefen.
Hercules ist ein Musikdrama in drei Akten, das Libretto stammt von Thomas Broughton, das am 5. Januar 1745 im Kings Theatre Haymarket London uraufgeführt wurde. So steht es auf der ersten Seite unserer Ausgabe. Ich lese das gerne jeden Morgen vor der Probe, um mich in diesen außergewöhnlichen Moment der Musikgeschichte zurückzuversetzen. Händel hatte bei seiner Ankunft in England 1711 die Londoner Bühne mit seinen Opern erobert.
Fast vier Jahrzehnte später nimmt er ein sehr opernhaftes Thema in Angriff, aber in der Art eines Oratoriums, einer Form, die normalerweise für biblische Geschichten reserviert ist. Wie in Semele, Händels anderem nichtreligiösen Musikdrama, setzt Händel das Orchester und den Chor mit großer Fantasie und Flair ein, und kreiert so eine harmonische Sprache, die Grenzen überschreitet, die in seiner Musik bisher unbekannt waren. Ich habe die (rein mutmaßliche) Theorie, dass Händel seiner Musikbibliothek zu dieser Zeit französische Musik hinzufügte, und ich stelle mir gerne vor, dass er, nachdem er die Musik von Rameau kennengelernt hatte, dazu kam, auf diese Weise zu schreiben. Seine pikanten harmonischen Verläufe illustrieren perfekt die mythische und quälend tragische Natur der Herkules-Geschichte.