Opernappetizer

AUS EINEM TOTENHAUS

LEOŠ JANÁČEK 1854–1928

Oper in drei Akten / Text vom Komponisten nach Fjodor M. Dostojewski/ Uraufführung 1930

Leoš Janáčeks Oper taucht in die düstere Welt eines sibirischen Gefangenenlagers ein. Durch vier Monologe werden die inneren Kämpfe und Schicksale einzelner Straftäter eindrucksvoll in Musik und Theater umgesetzt.

Erleben Sie die Wiederaufnahme von Aus einem Totenhaus vom 7. bis 27. März 2025.

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Bildunterschruft:
alte Besetzung © Barbara Aumüller

Inhalt

Handlung

»Aus einem Totenhaus«

Erster Akt

Der politische Gefangene Alexandr Petrovič Gorjančikov wird ins Straflager eingeliefert. Der Lagerkommandant erniedrigt und quält ihn. Zwischen den Gefangenen Luka Kuzmič und Skuratov bricht ein Streit aus. Luka berichtet, warum er im Lager landete: Er erstach einst einen sadistischen Major.

Zweiter Akt

Gorjančikov will dem jungen Aljeja Lesen und Schreiben beibringen. Glocken kündigen einen Feiertag an. Skuratov erzählt, wie er den Zwangsverlobten seiner großen Liebe Luise erschoss. Die Häftlinge treiben mit Gorjančikov ein sadistisches Spiel. Aljeja wird durch einen gewalttätigen Häftling verletzt.

Dritter Akt

Šapkin erzählt, wie er als Landstreicher verhaftet und gefoltert wurde. Dann erzählt Šiškov die Geschichte seiner Frau Akulka, einst die Geliebte von Filka Morozov. Weil sie diesen als verheiratete Frau weiterhin liebte, ermordete er sie. Die beiden einstigen Rivalen erkennen sich. Der Lagerkommandant verkündet überraschend Gorjančikovs Begnadigung. Er wird entlassen.

Bildunterschruft:
alte Besetzung © Barbara Aumüller

PLAY, AUGEN ZU UND OPER!

Jetzt reinhören in die Audioeinführung zu Aus einem Totenhaus von Dramaturg Maximilian Enderle. Sie finden alle Auftakt-Folgen auf SoundCloud sowie auf Spotify und ApplePodcasts.

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Trailer

Video

Erstickter Widerstand – Auszug aus dem Magazin

Text von Maximilian Enderle

Ende der 1920er Jahre entstanden, durchbrach Janáčeks Oper gleich mehrere Gattungskonventionen: Anstelle einer linearen Handlung setzt der Komponist auf fragmentarische Formen, harte Schnitte und effektvolle Kontraste. Die Brutalität des Sujets und der erstickte Widerstand der Insassen spiegeln sich auch in Janáčeks Musik: Während sich ein Gewebe rastloser Ostinati durch die gesamte Partitur zieht, gleicht das Orchester einem »Ensemble menschlicher, singender, rufender und schreiender Stimmen« (Peter Gülke).

David Hermanns Inszenierung zeigt Gorjančikov als einen Journalisten unserer Gegenwart: Von einem repressiven Regime verfolgt, erlebt er eine Welt, in der sich Willkür und Recht, Chaos und Ordnung permanent durchdringen. Wer Opfer und wer Täter ist, lässt sich mitunter kaum noch unterscheiden. Bühnenbildner Johannes Schütz schuf dafür ein labyrinthisches Raumgeflecht, das in seiner kühlen Bedrohlichkeit an eine moderne Version von Dantes Höllenkreisen erinnert.

Auszug aus dem Magazin März / April 2025.

»Ich habe vielleicht mein größtes Werk vollendet – diese letzte Oper. Ich fühle mich so erregt, als wenn mein Blut überfließen wollte.«
Leoš Janáček an Kamila Stösslová, Brief vom 2. Dezember 1927

Zum Werk – David Hermann, Regisseur

Requiem für die Vergessenen

»Das Werk ist äußerst komplex und in seinem Aufbau ebenso ungewöhnlich. Entscheidendes Initial für mich war, als ich es erstmals kennenlernte, sogleich ein Satz am Beginn der Handlung. Der eben ins Strafgefangenenlager gebrachte Häftling Alexandr Petrovic Gorjančikov, ein Intellektueller und bei mir ein Journalist, antwortet auf die Frage des brutalen Kommandanten, wer er denn sei:

© Oliver Look

›Ich bin ein politisch Gefangener.‹ Genau diese Selbstintroduktion wurde für mich zur Schlüsselstelle. Eine klare Aussage. Was, so folgerte ich unverzüglich aus der gegebenen Auskunft, bedeutet diese Extremsituation heute; in unserer unmittelbaren Gegenwart, in der wir ohne Unterlass und immer drastischer davon hören, was mit oppositionellen Intellektuellen auf dieser Welt geschieht, welchen drakonischen Torturen sie ausgesetzt werden, wie man versucht, sie zum Schweigen zu bringen, wie man sie in den Gefängnissen verschwinden lässt, sie ausschaltet. Die gegenwärtige Virulenz solcher schon überwunden geglaubter Praktiken ist offensichtlich.

Die Musik zu Beginn der Oper, worin die zentralen Themen des Werkes anklingen, gibt uns die Gelegenheit, in einigen Momenten die Vorgeschichte der Figur zu erzählen. Wenn man das gestaltet und dabei die Verhaftung des nonkonformistischen Journalisten selbst ins Bild rückt, lernen wir ihn bereits kennen. Der Blick auf seinen Weg durch die Schrecken des Lagers wird von nun an bestimmend. Wir begleiten ihn gleichsam auf der qualvollen Reise durch diese Schattenwelt und die Assoziation zu Dantes Inferno stellt sich unverzüglich ein. ›Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.‹ Wie Orpheus steigt Janáček hinab in jenes Inferno und blickt ins Haus der lebenden Toten, deren Stimmen er in je individueller Tonsprache festhält. Hier herrschen Willkür und Recht, Chaos und Ordnung, Gewalt und Zärtlichkeit. Wer ist Opfer, wer Täter? Janáček gibt allen eine Stimme: Sie singen um ihr Leben, finden einen Klangraum in diesem Requiem für die Vergessenen.

Alexandr Petrovic Gorjančikov verharrt ohne Unterbrechung in allen Szenen auf der Bühne, agiert als unser Führer durch diese Unterwelt, die ebenso unsere Gegenwart bezeichnet. Wir verlieren ihn am gesamten Abend nicht aus den Augen. Das bedeutet zugleich, dass die oft sehr umfangreich geratenen Monologe der anderen Gefangenen einen Adressaten haben, einen Fluchtpunkt, der sie dazu bringt, über ihr Schicksal zu berichten. Wie durch eine exorzistische Prozedur aktiviert, gelangen die Monologe zum Ausdruck, werden befreit aus dem Gefängnis des eigenen Erinnerungsraums.«

Auszug aus dem Programmheft zu Aus einem Totenhaus

Rund um Ihren Besuch

Friedman in der Oper

Leoš Janáčeks letzte Oper erzählt von den Insassen eines Straflagers, in dem zutiefst unmenschliche  Verhältnisse vorherrschen. Regisseur David Hermann versetzt das Werk in unsere Gegenwart und zeigt einen Journalisten, der in die Fänge eines repressiven Regimes gerät. Welche Kräfte wirken momentan einer freien Meinungsäußerung entgegen? Ist opportunistisches Verhalten eine notwendige Reaktion, um das eigene berufliche Fortkommen zu sichern? Und wie viel Mut kostet es, öffentlich gegen autoritäre  Machtstrukturen aufzubegehren? Über diese und viele weitere Fragen diskutiert MICHEL FRIEDMAN mit ULF RÖLLER. Der Journalist ist nach Stationen in Berlin, Washington und Ostasien seit 2022 Leiter des ZDF-Studios in Brüssel.

TERMIN

25. März, 19 Uhr, Opernhaus

Opera next level

Bei OPERA NEXT LEVEL treffen sich Jugendliche und junge Erwachsene von 15–25 Jahren, um gemeinsam Oper vor und hinter den Kulissen zu erleben. Mit der JUNIORCARD kommt ihr gemeinsam mit eurem Best Friend günstig in die Oper.

Anmeldung unter jetzt@buehnen-frankfurt.de

TERMIN

27. März 2025, 19 Uhr, Opernhaus

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7., 16., 22., 27. Mär 2025

Jetzt Plätze für eine von vier Vorstellungen der Wiederaufnahme von Aus einem Totenhaus in der Inszenierung von David Hermann und mit Ensemblemitglied Domen Križaj als Gorjančikov.

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SZENENFOTOS Barbara Aumüller

FOTOS Oliver Look

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Veröffentlicht am

10.02.2025

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