23.10.2025
BORIS GODUNOW
Mussorgskis Meisterwerk Boris Godunow in einer Neuinszenierung von Keith Warner. In der Titelpartie gibt der Ukrainer Alexander Tsymbalyuk sein Frankfurt-Debüt. Vom 2. bis 26. November 2025 an der Oper Frankfurt.
Poème lyrique / Text von Dante Gabriel Rossetti / Uraufführung 1893
Dramatisches Oratorium / Text von Paul Claudel / Uraufführung 1938
Zwei Werke, zwei Welten – verbunden durch eine Inszenierung von großer emotionaler Wucht. Hier begegnen sich zarte Visionen und existenzielle Abgründe. Àlex Ollé entfaltet darin ein visuelles Musiktheater, das spirituelle Sehnsucht und politischen Widerstand auf eindrückliche Weise miteinander verwebt.
Erleben Sie die Wiederaufnahme von La damoiselle élue / Jeanne d’Arc au bûcher vom 21. Juni 5. Juli 2025.
Die Auserwählte blickt, gelehnt auf die Barriere des Himmels, herab auf ihren Liebsten, der noch auf Erden ist. Während sich rings um sie Liebende aufs Neue vereinen, sehnt sie sich dem Augenblick entgegen, wenn ihr Geliebter zu ihr in den Himmel kommen wird. Dann will sie, mithilfe der Jungfrau Maria als Fürsprecherin, Jesus Christus um die Gnade bitten, auf ewig mit dem Geliebten vereint zu sein, wie es ihnen auf Erden für kurze Zeit vergönnt war. Wird es so kommen?
Frankreich zur Zeit des Hundertjährigen Krieges: ein geteiltes, verödetes Land, zur Hälfte von den Engländern besetzt. Rettung bringt ein junges Bauernmädchen aus dem Dorf Domrémy: Jeanne d’Arc. Wir sehen sie auf dem Scheiterhaufen, im Augenblick ihres Flammentodes, nachdem die Inquisition sie in Rouen der Häresie für schuldig befunden hat. Bruder Dominique ist mit einem Buch, in dem ihre Geschichte erzählt wird, aus dem Himmel herabgestiegen. Darin steht das Unrecht verzeichnet, das seine Mitbrüder, die Dominikaner, sowie die Kirchengelehrten der Pariser Universität Sorbonne begangen haben. Jeanne will verstehen, wie es so weit kam. Sie bittet Dominique, es ihr zu erklären.
Die Stationen ihres Lebens ziehen an ihr vorüber. Sie erinnert sich an den beißenden Rauch und die Hitze des Feuers; und daran, wie die aufgewiegelte Masse ihr als Hexe und rückfällige Ketzerin den Tod wünscht. Sie erlebt den Prozess noch einmal; nicht Menschen, sondern Bestien haben sie gerichtet: Bischof Cauchon, das Schwein (Porcus), hat den Vorsitz, der Gerichtsschreiber ist ein Esel, die Beisitzer sind Schafe. In ihrem Küchenlatein verbiegen sie Jeannes Aussagen, um sie verurteilen zu können. Die Erinnerung geht weiter zurück zu ihrer Gefangennahme und Auslieferung an die Engländer. Bruder Dominique führt ihr das Ränkespiel der politischen Mächte und der Herrscher mit ihren Lastern als absurdes Kartenspiel vor, in dem alle gewinnen und niemand verliert außer Jeanne.
Noch weiter zurück geht Jeannes Erinnerung: Wie sie, von ihren Stimmen geleitet, den König durch verschneite Wälder nach Reims zur Krönung führte. Frankreichs Norden, die Kornkammer (symbolisiert in der Figur des Mühlenwind), und der Süden, die Weinberge (verkörpert von Mutter Weinfass), werden dank Jeanne wiedervereint. Schließlich erinnert sie sich an ihre Kindheit in Lothringen, als sie zum ersten Mal ihre Stimmen hörte: Die Heilige Katharina und die Heilige Margarethe befahlen ihr, mit Standarte und Schwert in den Krieg zu ziehen und Frankreich zu befreien. Nun ist es Bruder Dominique, der Jeanne bittet, ihm das alles zu erklären. Doch dafür, antwortet ihm Jeanne, müsse er ein Kind sein wie sie damals, als sie das Trimazô-Lied sang.
Der Kreis schließt sich: Die Jungfrau Maria gibt Jeanne die Kraft, ihr Martyrium auf dem Scheiterhaufen anzunehmen. Bruder Dominique ist verschwunden. Als ein Priester ihr Schonung in Aussicht stellt, wenn sie ihre Taten widerruft, verweigert sie die Unterschrift. So wird sie selbst zu der Flamme für die Heilige Jungfrau, von der im Kinderlied Trimazô die Rede ist. Im Namen der Hoffnung, der Freude und der Liebe sowie im festen Glauben an die Stärke Gottes stirbt Jeanne, von den Stimmen ihrer Heiligen begleitet, am Schandpfahl.
Jetzt reinhören in die Audioeinführung zu La damoiselle élue / Jeanne d’Arc au bûcher von Dramaturg Konrad Kuhn! Sie finden alle Auftakt-Folgen auf SoundCloud sowie auf Spotify und ApplePodcasts.
Franziska Schmidt: Was verbindet Debussys La damoiselle élue mit Honeggers Jeanne d’Arc?
Die Blickachse: Die »Auserwählte« schaut vom Himmel herab auf ihren Geliebten, der noch auf der Erde ist, während Jeanne d’Arc sich im Moment ihres Feuertods nach ihrem geliebten Jesus im Himmel sehnt.
FS: Was macht Honeggers Jeanne so besonders auf der Opernbühne?
Sie spricht, kämpft, zweifelt – und wird in einer bildkräftigen Inszenierung von einem Mix aus Chor, Melodram und großem Orchester getragen. Keine Oper wie jede andere, sondern ein »szenisches Oratorium«.
FS: Und warum gerade jetzt Jeanne d’Arc?
Jeanne wird nicht als historische Figur gezeigt, sondern als unsere Zeitgenossin – die Lichtgestalt trifft auf eine aus den Fugen geratene Welt.
»Man muss die Zucht in der Freiheit suchen und nicht in den Formeln einer morsch gewordenen Philosophie, die nur mehr für Schwachköpfe taugt.«
Text von Konrad Kuhn
Ein Bauernmädchen aus Domrémy, das weder lesen noch schreiben kann, stellt sich gegen die Mächtigen der Zeit. Den Stimmen ihrer Heiligen folgend, führt sie den König zur Krönung nach Reims, befreit das geteilte Frankreich von der Besatzung der Engländer und greift in den Hundertjährigen Krieg ein. Doch den Feudalherren ist sie ein Dorn im Auge – der Dichter Paul Claudel und der Komponist Arthur Honegger führen sie uns in einem absurden Kartenspiel vor, bei dem alle gewinnen bis auf eine: Jeanne d’Arc. Besiegelt wird ihr Schicksal von einem korrupten Gericht: Der Richter ist ein Schwein, der Gerichtsschreiber ein Esel und die Geschworenen sind Schafe … Was für Jeanne jedoch am schmerzlichsten ist: Die wankelmütige Masse des Volkes, das ihr zuvor begeistert gefolgt war, lässt sie im Stich und erklärt sie zur Hexe.
»Die Figur der Jeanne d’Arc löst eine spezifische, sehr intensive Emotion aus: die Sehnsucht nach der Befreiung vom Bösen, das mit rücksichtsloser Anmaßung über eine weltfremde, hilflose Gesellschaft hereinzubrechen scheint. Das ›Böse‹, das sind zur Zeit Jeanne d’Arcs die Engländer und der endlose Krieg, in dem sie den Franzosen und ihrem schwachen König gegenüberstanden.
Zur Zeit Honeggers, Claudels und Rubinsteins sind es der Nationalsozialismus in seiner ungeheuerlichen Arroganz und die Lähmung der Völker angesichts der Brutalität seiner Ideologie, die die Welt verwüstet hat. Und heute? Wo finden sich heute eine solche Schwäche und eine solche Arroganz? Worauf richtet sich die Sehnsucht des Publikums nach Befreiung? Wofür steht das ›Böse‹?«
Auszug aus dem Programmheft zu La damoiselle élue / Jeanne d’Arc au bûcher
SZENENFOTOS Barbara Aumüller
FOTOS Eléna Bauer (Àlex Ollé)
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Veröffentlicht am
30.05.2025
23.10.2025
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16.10.2025
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