Opernappetizer

LADY MACBETH VON MZENSK

DMITRI D. SCHOSTAKOWITSCH

Oratorium in vier Akten / Text vom Komponisten nach Nikolai S. Leskow / Uraufführung 1934, Kleines Akademisches Opernhaus, Leningrad / Premiere vom 3. November 2019 / In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Schostakowitschs Musik, die immer wieder symphonisch auftrumpft, ist von unbändiger Kraft. Anselm Weber zeichnet das Bild einer dystopischen, verrohten Gesellschaft und legt den Fokus auf die inneren Welten der Titelheldin.

Vom 29. September – 26. Oktober 2024 an der Oper Frankfurt.

Bildunterschruft:
© Barbara Aumüller

HANDLUNG

1. Akt

1. Bild Katerina leidet unter der Ödnis ihres unerfüllten Lebens als Frau des Kaufmanns Sinowi Ismailow. Die Ehe ist bisher kinderlos geblieben. Ihr tyrannischer Schwiegervater Boris Ismailow macht ihr deshalb Vorwürfe, wogegen sie sich heftig wehrt. Als Sinowi beruflich verreisen muss, fordert Boris die Arbeiter auf, Abschiedsschmerz auszudrücken. Er zwingt Katerina, auf den Knien zu schwören, dass sie ihrem Gatten treu sein werde. Die Hausangestellte Axinja gibt Katerina Auskunft über den neu eingestellten Arbeiter Sergei: Er wurde bei seiner vorigen Herrschaft entlassen, weil er ein Verhältnis mit der Herrin hatte ...

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2. Bild Die Arbeiter drangsalieren Axinja, die sie in ein Fass gesteckt haben. Als Sergei sie zu vergewaltigen versucht, wird er von Katerina überrascht. Sie weist die Männer zurecht und fordert Respekt und Wertschätzung für die Frauen. Doch dann lässt sie sich auf einen spielerischen Ringkampf mit Sergei ein. Gerade als beide sich auf dem Boden wälzen, kommt Boris hinzu. Katerina rettet die Situation, indem sie behauptet, gestürzt zu sein; Sergei habe ihr aufhelfen wollen. Wütend jagt Boris die Arbeiter fort und droht Katerina an, den Vorfall seinem Sohn zu berichten.

3. Bild Schlafenszeit: Boris, der Katerina ständig überwacht, mahnt sie, schlafen zu gehen. Sie verzehrt sich nach Zärtlichkeit und Leidenschaft. Gerade als sie sich hingelegt hat, erscheint Sergei unter dem Vorwand, sich ein Buch leihen zu wollen. Er verführt Katerina; nach anfänglichem Widerstand gibt sie sich ihm hin.

2. Akt

4. Bild Boris schleicht nachts durchs Haus und belauert Katerina. Er errät ihr Bedürfnis nach Liebe. Als er eben darüber fantasiert, selbst zu ihr ins Schlafzimmer zu gehen, wird er Zeuge, wie sich Katerina und Sergei verab-schieden. Mithilfe der herbeigerufenen Arbeiter setzt er ihn fest und zwingt Katerina dabei zuzusehen, wie er ihn beinahe zu Tode peitscht. Dann lässt er ihn in den Keller sperren. Hungrig geworden, befiehlt er Katerina, ihm Pilze zuzubereiten. Sie mischt Rattengift darunter. Während Boris sich vor Schmerzen krümmt, nimmt sie ihm den Schlüssel zum Keller ab. Arbeiter finden den Sterbenden, der nach dem Popen verlangt; doch dieser kann ihm nur noch den letzten Segen geben. Katerina heuchelt tiefe Trauer. Den aufkommenden Verdacht kann sie zerstreuen, indem sie darauf verweist, dass Pilzeessen zur Nachtzeit schon vielen Menschen zum Verhängnis geworden sei.

5. Bild Katerina und Sergei verbringen wieder die Nacht miteinander. Er beklagt sich, dass er niemals der rechtmäßige Mann an ihrer Seite sein werde, solange Sinowi noch lebt. Katerina verspricht, ihn zum Kaufmann zu machen. Während Sergei einschläft, erscheint Katerina der Geist des toten Boris, der sie verflucht. Kurz darauf hört sie Schritte: Sinowi ist zurückgekehrt und hat sich ins Haus geschlichen. Sergei versteckt sich. Die Eheleute geraten sofort in heftigen Streit, da Sinowi Gerüchte über Katerinas Untreue gehört hat. Als er sie mit einem Gürtel schlagen will, ruft sie ihren Geliebten zu Hilfe. Gemeinsam töten sie Sinowi und verstecken seine Leiche im Keller.

3. Akt

6. Bild Katerina und Sergei heiraten. Während sie zur Trauung gehen, bricht ein Arbeiter, der »der Schäbige« genannt wird, auf der Suche nach Alkohol den Keller auf und entdeckt die Leiche von Sinowi. Er rennt los, um die Polizei zu alarmieren.

7. Bild Unter den durch und durch korrupten Polizisten herrscht schlechte Stimmung, weil man nicht zur Hochzeit bei den Ismailows eingeladen wurde. Ein des Atheismus verdächtigter Sozialist wird verhört und abgeführt. Da erscheint der Schäbige und berichtet von seinem Fund. Hochzufrieden machen sich die Polizisten unter Führung des Polizeichefs auf den Weg.

8. Bild Die Hochzeitsfeier geht dem Ende entgegen. Man lässt Katerina, auf die der Pope ein Loblied singt, hochleben und fordert die Brautleute wieder und wieder auf, sich zu küssen. Schließlich sind alle betrunken und schlafen ein. Da entdeckt Katerina, dass der Keller aufgebrochen wurde. Sie drängt Sergei, alles Geld zusammenzuraffen und zu fliehen. Doch es ist zu spät: Die Polizei marschiert auf. Katerina bekennt sich sofort zu ihrer Schuld. Das Paar wird festgenommen.

4. Akt

9. Bild Auf dem Weg nach Sibirien schleppen sich die Strafgefangenen durch die endlose Steppe. Als man zur Nacht an einem Wasserloch lagert, besticht Katerina einen Wachtposten, um zu Sergei zu gelangen, und sucht bei ihm Trost. Doch er weist sie ab und wirft ihr vor, sein Leben verpfuscht zu haben. Stattdessen macht er sich an die Gefangene Sonjetka heran. Als Gegenleistung für ihre Liebe fordert sie Strümpfe; die könne er ja von seiner Kauf-mannsfrau bekommen.

Sergei geht darauf ein und bittet Katerina - vorgeblich für sich selbst - um die Strümpfe; sie gibt sie ihm. Während er sich triumphierend mit Sonjetka zurückzieht, wird Katerina von den Sträflingsfrauen verhöhnt. Katerina, die von Schuldgefühlen geplagt wird, ist verzweifelt. Sonjetka kehrt zurück aus den Armen Sergeis und demütigt Katerina noch zusätzlich, indem sie sich für die Strümpfe bedankt. Der Morgen graut und die Wachen befehlen den Auf-bruch. Da stürzt sich Katerina ins Wasser und reißt Sonjetka mit sich in den Tod. Die Gefangenen ziehen weiter.

AUFTAKT – AUDIOEINFÜHRUNGEN

Jetzt in die Audioeinführung zu Lady Macbeth von Mzensk von Dramaturg Konrad Kuhn reinhören. Alle Auftakt-Folgen finden Sie bei SoundCloud, Spotify und ApplePodcasts.

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hören

»WIE SPIELT MAN EINE MÖRDERIN?«

Text von Konrad Kuhn

»Wie spielt man eine Mörderin?« Das fragt sich die estnische Sopranistin Aile Asszonyi, die in Lady Macbeth von Mzensk die Titelpartie singt. Und die Antwort lautet: »Genauso wie eine Pariser Halbweltdame, eine äthiopische Prinzessin oder die Königstochter Elektra …« Mit dieser Rolle hatte sie 2023 an der Oper Frankfurt ihr fulminantes Debüt gegeben. »Wenn man nicht auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen kann – weil man zum Beispiel noch nie einen Mord begangen hat –, muss man sich auf seine darstellerischen Qualitäten verlassen. Dabei hilft Schostakowitschs großartige Musik. Die Partitur zeichnet ein plastisches Bild von Katerinas trostloser Existenz in einer rückständigen, rigiden Gemeinschaft, in der sie keine Hoffnung auf ein erfülltes Leben hat. Sie muss scheitern, als sie sich ihr Glück mit Gewalt zu erkämpfen versucht.«

TRAILER ZU »LADY MACBETH VON MZENSK«

Video
Trailer zu Lady Macbeth von Mzensk mit Regisseur Anselm Weber, Dirigent Sebastian Weigle und Bühnenbildner Kaspar Glarner.

EINE POLITISCHE OPER

ANSELM WEBER (REGIE), KASPAR GLARNER (BÜHNENBILD) UND KONRAD KUHN (DRAMATURIE) IM GESPRÄCH

Konrad Kuhn Katerinas Träume von einer anderen Welt werden in der Inszenierung durch ein sehr konkretes, modernes Requisit, eine VR-Brille, versinnbildlicht. Sie flüchtet sich in eine Virtual-Reality-Droge, um sich über ihr trostloses Dasein hinwegzuretten.

Anselm Weber

Ihr bleibt zunächst nur diese künstliche Realität, da sie real eingesperrt ist. Wir haben den Gedanken des Gefängnisses weitergeführt und uns gefragt: Was ist, wenn der Schwiegervater Boris Ismailow aus irrationalen Ängsten vor einer Verschwörung seinen gesamten Machtbereich und insbesondere das Schlafzimmer seiner Schwiegertochter komplett überwacht? In einer Szene wird sehr genau beschrieben, wie er nachts mit der Lampe durch Haus und Hof geht, um die Arbeiter bei Untaten zu ertappen oder Diebe zu erwischen, auf die er die Hunde hetzen kann. In dieser Welt der totalen Entindividualisierung gibt es diesen Fluchtimpuls bei Katerina, indem sie sich die VR-Brille aufsetzt. Mit ihrer Hilfe träumt sie sich in eine Naturwelt hinein, die im krassen Gegensatz zu der düsteren Welt steht, aus der sie nicht entkommen kann.

KK Wie materialisiert sich eine solche Welt auf der Bühne? Wie definiert sich der Raum?

Kaspar Glarner

Die Musik ist von einer solch ungestümen, ungebrochenen Kraft, dass der erfundene Raum ihr etwas Starkes entgegensetzen muss. Bereits bei unserem ersten Arbeitstreffen skizzierte Anselm ein sehr klares Schema der drei Ebenen, die im Stück bedient werden sollten: das Intime, das Schlafzimmer – bei uns ständig unter Beobachtung; das Gehöft, ein Ort der gnadenlosen Arbeit und der brutalsten menschlichen Beziehungen; und schließlich die vergleichsweise unscharf bleibende, politisch bedrohliche Außenwelt. Die düstere Zukunft ist hier schon sehr gegenwärtig: ein trichterförmiger Raum begrenzt, beengt, fokussiert alles zum Zentrum hin und zieht jegliche Kräfte nach unten. Sehr wenige Ausgänge geben Hoffnung auf Entkommen. Sogar die Polizeistation – eigentlich ein Sprung zu einem Handlungsort außerhalb – wird hier als Einschub im Einheitsraum erzählt. So auch das Schlussbild: das Gefangenenlager, in dem der Raum allerdings nochmals transformiert wird.

KK Wie sehen die Menschen aus, die uns in diesem Raum begegnen?

KG

Die Kostüme zeigen ein Russland von morgen; armselig, unzureichend, lieblos. Folklore nur da, wo es um das »ewige Russland« geht; also da, wo es das Stück verlangt. Es gibt den Popen und es gibt die Ikone. Schostakowitsch hat Katerinas Kindesmord nicht aus Leskows Erzählung übernommen. Hier erscheint das Kind uns wieder, aber in anderer Funktion. Der Chor agiert in Schutzanzügen in einer grubenartigen, vielleicht verstrahlten, nicht näher definierten Welt. Die Mitglieder des Chors treten stets aus der Unterbühne auf, müssen also immer aus dem Dreck nach oben kommen und werden schließlich wieder in den Dreck zurückgestoßen – dahin, wo die Ratten wohnen.

AW

Die Ratten sind ein zentrales Thema in der Oper. Man weiß nie genau, wer die Ratten sind. Sind vielleicht die Menschen das eigentliche Ungeziefer? Die Grenzen sind fließend, es gibt Überschneidungen: So wird Boris mit Rattengift getötet.

Auszug aus dem Programmheft.

Bildunterschruft:
© Barbara Aumüller

RUND UM IHREN BESUCH

OPERNWORKSHOP FÜR ERWACHSENE

Opernliebhaber*innen und Neugierige finden sich zu einem Ensemble zusammen und lernen die Oper auf aktive, spielerische Weise aus der Perspektive der Opernfiguren kennen.

INFOS

Treffpunkt Opernpforte
Preis 25 Euro, ermäßigt 12,50 Euro
Tickets

TERMIN

28. September 2024 , 14–18 Uhr

SZENENFOTOS Barbara Aumüller

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Veröffentlicht am

19.09.2024

Willy-Brandt-Platz

Spielort

Willy-Brandt-Platz

60311 Frankfurt am Main

Anfahrt

Google Maps

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