Opernappetizer

GUERCŒUR

ALBÉRIC MAGNARD 1865–1914

Tragédie en musique in drei Akten / Text vom Komponisten / Uraufführung 1931

Ein Held kehrt aus dem Jenseits zurück, nur um eine Welt vorzufinden, die von Verrat, Machtgier und einer bedrohten jungen Demokratie geprägt ist. Magnards spätromantische Musik, die zwischen Oper, Oratorium und Mysterienspiel changiert, verspricht ein außergewöhnliches Klangerlebnis – heroisch, berührend und voller Dramatik.

Vom 2. Februar bis 8. März 2025.

Bildunterschruft:
Domen Križaj (Guercœur) und Claudia Mahnke (Giselle) © Barbara Aumüller

Inhalt

Handlung

»Guercœur«

Guercœur, der sein Land in die Freiheit geführt hatte, ist überraschend gestorben. Er hinterlässt seine Geliebte Giselle, die ihm noch am Sterbebett ewige Treue geschworen hatte, und seinen Protegé Heurtal.

Erster Akt

Im Jenseits, wo sich alle menschlichen Leidenschaften in ewige Seligkeit auflösen, hält es Guercœur nicht aus. Daran ändert auch das gute Zureden der anderen Schatten nichts. Guercœur will zurück ins Leben, wenn auch nur für einen Tag.

Die Göttinnen Vérité, Bonté, Beauté und Souffrance sind uneins, ob ihm dieser Wunsch erfüllt werden soll. Souffrance plädiert dafür: Guercœur soll kennenlernen, was er nie erfahren musste – zu leiden. Schließlich entscheidet Vérité, dass seine irdische Existenz wiederhergestellt wird.

Zweiter Akt

Zwei Jahre sind seit Guercœurs Tod vergangen. Die politischen Zustände haben sich gewandelt, die Bevölkerung ist unzufrieden und macht ihrem Ärger in Protesten Luft. Giselle ist eine Liebesbeziehung mit Heurtal eingegangen und lebt mit ihm in Guercoeurs Haus. Doch sie empfindet dem Verstorbenen gegenüber tiefe Schuldgefühle. Heurtal, der als Konsul regiert, hat Guercoeurs demokratische Prinzipien über Bord geworfen. Er will die Unruhe im Land nutzen, um als Diktator die Macht an sich zu reißen.

In Guercœur Haus. Nach einer gemeinsamen Liebesnacht lässt Heurtal Giselle alleine zurück. Dort steht ihr plötzlich Guercœur gegenüber. Giselle erschrickt und kann kaum glauben, dass er wieder lebendig ist. Überglücklich träumt Guercœur von ihrer gemeinsamen Zukunft. Da gesteht sie ihm ihre Beziehung mit Heurtal und bittet Guercœur verzweifelt, ihr zu vergeben. Zutiefst verletzt, entspricht er ihrem Wunsch schließlich. Giselle schläft erschöpft ein.

Guercœur trifft auf den zurückkehrenden Heurtal und erinnert seinen einstigen Freund an die Grundsätze von Freundschaft, Liebe und Freiheit. Heurtal findet Giselle, die langsam wieder zu sich kommt. Sie erzählt ihm, dass Guercœur ihr im Traum erschienen sei und ihr vergeben habe.

Im Parlament. Die Abgeordneten sind gespalten. Viele geben der Demokratie und damit Guercœur die Schuld an den Missständen im Land. Sie glauben, dass nur ein »guter Tyrann« wieder für Frieden und Ordnung sorgen kann. Andere widersprechen. Sie bezeichnen Heurtal, der zu einer Diktatur unter seiner Führung aufruft, als Verräter. Die Stimmung wird immer aufgeheizter und gewaltbereiter.

Nachdem sich Heurtals Unterstützer durchgesetzt haben, wird Guercœurs einstiger Protegé zum Diktator ernannt.

Guercœur versucht, sich bei den Leuten, die ihn einst gefeiert hatten, Gehör zu verschaffen. Er ruft die demokratischen Grundsätze in Erinnerung und spricht sich gegen eine Diktatur aus. Doch niemand hört ihm zu. Stattdessen fällt die Menge über ihn her und tötet ihn.

Dritter Akt

Als Guercœur im Jenseits inmitten der Schatten wieder erwacht, ist er außer sich. Seine Enttäuschung schlägt in Zynismus um: Er bittet die vier Göttinnen um Vergebung für seinen Hochmut und bedankt sich bei Souffrance, weil sie ihm die Augen geöffnet habe.

Vérité prophezeit, dass sich in ferner Zukunft der Traum von Liebe, Freiheit und Frieden erfüllen und der Mensch zur Erkenntnis seiner eigenen Endlichkeit gelangen werde.

Trailer

Video

PLAY, AUGEN ZU UND OPER!

Stimmen Sie sich mit der Einführung zu Guercœur von Dramaturgin Mareike Wink und dem darin enthaltenen Musikbeispiel auf diese Produktion ein. Sie finden alle Auftakt-Folgen auf SoundCloud sowie auf Spotify und ApplePodcasts.

rein
hören

Zum Werk – David Hermann, Regisseur

»Mein persönlicher Untertitel für dieses außergewöhnliche Werk lautet ›Opéra visionnaire‹. In diesem Passionsspiel der Moderne führt uns Magnard schonungslos an zentrale Aspekte der menschlichen Existenz heran: unsere Vergänglichkeit, die Ambivalenz von Beziehungen, die Fragilität freiheitlicher, politischer Systeme. Visionär ist bei Magnard zunächst, dass Gott eine Frau ist, nein sogar vier Frauen. Im weißen Rauschen des Jenseits tauchen die Göttinnen Schönheit, Güte, Wahrheit und Schmerz auf und schicken Guercœur, dieses kämpferische Herz, auf eigenen Wunsch auf die Erde zurück.«

© Oliver Look

Der große Einzelgänger der französischen Musik – Auszug aus dem Magazin

Text von Mareike Wink

Albéric Magnards Oper Guercœur, vor rund einhundert Jahren entstanden, erscheint gegenwärtig als ein Stück der Stunde. In einer betörend-schönen musikalischen Sprache erzählt es von menschlichen Idealen und Unzulänglichkeiten – im individuellen Leben wie im großen gesellschaftspolitischen Zusammenhang.

Von Schicksalsschlägen, Enttäuschungen und Bitterkeit war auch Magnards eigenes Leben geprägt. Geboren wurde er 1865 in wohlhabende Pariser Verhältnisse, als Sohn des Herausgebers der Zeitung Le Figaro. Im Alter von vier Jahren muss er den Verlust seiner Mutter verschmerzen, die sich das Leben nimmt. Als junger Mann absolviert Magnard den französischen Militärdienst, schreibt sich später für Jura ein und geht dann an das Pariser Konservatorium, um sich ganz seiner Leidenschaft, der Musik, zu widmen.

Die finanziellen Mittel seines Elternhauses ermöglichen ihm einen großzügigen Lebensstil sowie die Befreiung von dem Zwang, mit seiner Kunst Geld verdienen oder Mäzene finden zu müssen. Auch die Finanzierung und Organisation einzelner Aufführungen sowie der hauseigene Druck seiner Werke sind somöglich. Der selbstzweiflerische Komponist kann es sich erlauben, ohne zeitlichen Druck zu arbeiten; er komponiert langsam und lässt angefangene Werke mitunter in seiner Schreibtischschublade verschwinden, ohne sie jemals wieder anzusehen.


Zum Magazin Januar/Februar 2025.

»Ein Künstler, der nicht bereit ist zur Selbstverleugnung, ist entweder dem Tod nahe – oder der Schande.«
Albéric Magnard

Zum Werk – Marie Jacquot, Musikalische Leitung

»Für mich klingt Guercœur wie das Baby von Mélisande und Parsifal. Viel erinnert an Debussy und impressionistische Klangwelten, auch Magnards syllabische Vertonung. In den harmonischen Wendungen, Zwischenspielen, der Einarbeitung des Chores und der Werklänge hingegen blitzt Richard Wagner auf.

© Julia Wesely

Wir sind gewohnt, in Repertoire-Schubladen zu denken. Daher überrascht eine solche Mischung erstmal, und vielleicht dauert es einen Moment, bis wir uns darin zurechtfinden, obwohl wir uns an so viel erinnert fühlen. Ich bin selbst noch dabei, diese ganz eigene musikalische Sprache von Magnard zu verstehen, ihre unterschiedlichen Nuancen zu verinnerlichen und zu einer neuen Hörgewohnheit werden zu lassen. Was mich allerdings sofort gepackt hat, sind die langen und differenzierten Zwischenspiele in Guercœur. [...] Für mich, die ich das Entdecken von unbekannten Stücken liebe, eine wunderbare Aufgabe!«

Zum Magazin Januar/Februar 2025.


Video: Interview mit Marie Jacquot und David Hermann

Regisseur David Hermann beschreibt die Probenarbeit an »Guercœur« in der heutigen politischen Lage als surreal. Besonders eindrucksvoll und schwierig auf die Bühne zu bringen: der dramatische Zusammenbruch auf der Demokratie, der nicht nur szenisch, sondern auch musikalisch eine große Herausforderung darstellt. Wie sich das in der Musik widerspiegelt, erklärt Dirigentin Marie Jacquot.

Video
Interview mit Marie Jacquot und David Hermann

Video: Backstage im Kostümwesen von »Guercœur« mit Kostümbildmitarbeiterin Eva Bienert

Video
Backstage im Kostümwesen von Guercœur mit Kostümbildmitarbeiterin Eva Bienert

SZENENFOTOS Barbara Aumüller

FOTOS Oliver Look (David Hermann), Julia Wesely (Marie Jacquot)

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Veröffentlicht am

30.01.2025

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60311 Frankfurt am Main

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