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Hinter den Kulissen

DIE ORCHESTERWARTE

MEISTER DER LOGISTIK

In der Oper arbeiten die Orchesterwarte wie unsichtbare Helden im Hintergrund, um den reibungslosen Ablauf der Aufführungen zu gewährleisten. Von der Logistik im Orchestergraben bis zur Koordination mit anderen Abteilungen und dem Orchester übernehmen sie entscheidende Aufgaben. Dieser Artikel wirft einen Blick hinter die Kulissen, zeigt die Vielseitigkeit ihrer Arbeit und unterstreicht ihre wichtige Rolle für den Erfolg des Opernhauses.

Bildunterschruft:
Orchesterwart Ivan Scaglione beim Aufbau des Schlagwerks im Orchestergraben der Oper.

ÜBER DIE ARBEIT DER ORCHESTERWARTE

Wenn man in der Oper Frankfurt arbeitet, bekommt man mitunter den Eindruck, dass in der Nacht eine ganze Riege von Heinzelmännchen am Werk ist. Nicht selten ist es der Fall, dass nach einer Abendvorstellung bereits am nächsten Morgen in einem anderen Bühnenbild sowie mit einem völlig veränderten Orchesteraufbau geprobt wird. Während sich die technische Mannschaft um den Bühnenumbau kümmert, fallen alle Angelegenheiten rund um den Orchestergraben in den Verantwortungsbereich der Orchesterwarte  ̶  beziehungsweise der »Orchestergrabendesigner«, wie es scherzhaft am Türschild der Abteilung heißt.  

Das fünfköpfige Team sorgt dafür, dass passend zur gespielten Oper die korrekte Anzahl an Stühlen, Pulten und vor allem auch größere Instrumente wie Kontrabässe, Harfen, Tasteninstrumente und Schlagwerk im Graben parat stehen. Und wenn das Frankfurter Opern- und Museumsorchester in der Alten Oper oder im Bockenheimer Depot spielt, ist selbstverständlich der Hin- und Rücktransport zu gewährleisten. Doch damit nicht genug: Hauseigene Instrumente wie die Kontrabässe werden zum Schutz vor trockener Luft in eigens eingerichteten Lagern mit künstlichen Befeuchtungsanlagen deponiert. Nur so kann man sicherstellen, dass deren Holz nicht reißt und die Bässe über viele Jahre spielbar bleiben.

»Wir sind Instrumentenlogistiker.«
Hanns Will, Orchesterwart

KEIN TAG WIE DER ANDERE

Einen typischen Tagesablauf gibt es für die Orchesterwarte nicht, meint Fachvorarbeiter Hanns Will. Mitunter kommt es vor, dass sein Team auf drei Baustellen gleichzeitig operiert: »Am Beginn dieser Spielzeit hatten wir beispielsweise an einem Abend im Opernhaus eine Daphne-Probe in maximaler Orchestergröße. Am kommenden Vormittag probte das Orchester Mahlers ebenfalls üppig besetzte 7. Sinfonie in der Alten Oper, und parallel standen die Endproben von Don Pasquale im Bockenheimer Depot an, das aufgrund der wechselnden Bühnen- und Zuschauersituation bei jeder Produktion eine Herausforderung für uns ist. In diesen Tagen mussten die Umbauten und Transporte tatsächlich oft in der Nacht stattfinden.«

Einen typischen Weg in den Beruf des Orchesterwarts gibt ebenfalls es nicht. Hanns Will hatte beispielsweise Musikwissenschaften studiert und kam eher zufällig zu seiner Profession: »Ich wollte bei einem Jugendsinfonieorchester ein Praktikum in der Geschäftsführung machen. Dort wurde mir gesagt, dass dies nicht möglich sei, sie aber einen Job für mich hätten. Ich habe dann angefangen, dort als Orchesterwart zu arbeiten, und bin so immer mehr in das Tätigkeitsfeld hineingewachsen.« Seit 2016 ist er nun an der Oper Frankfurt engagiert. Neben einem grundlegenden handwerklichen Geschick sind dabei vor allem organisatorische Fähigkeiten gefragt. »Wir sind Instrumentenlogistiker«, so Hanns Will.

Dass nahezu alle Frankfurter Orchesterwarte ein Instrument spielen, ist für die Arbeit sicherlich ein Vorteil. Und dass gleich zwei Schlagzeuger im Team vertreten sind, war für eine Produktion wie Ligetis Le Grand Macabre sogar noch besser: »Der Aufbau von Grand Macabre gehörte zu den komplexesten Aufgaben der letzten Zeit. Der halbe Orchestergraben wurde genutzt für die über 150 Schlaginstrumente und die zahlreichen Tasteninstrumente, die in der Partitur vorgeschrieben sind. Pulte und Podeste für die Streicher mussten dementsprechend in die andere Hälfte des Grabens geräumt werden, was deutlich mehr Umbau-Zeit in Anspruch nahm als sonst. Der große Arbeitsaufwand hat sich aber gelohnt! Ich glaube, ein so exotisches Instrumentarium mit Autohupen und Sirenen habe ich zuvor noch nie hier im Opernhaus gehört.«

ALLES EINE FRAGE DER KOORDINATION …

Während ein Großteil der Percussion-Instrumente bereits im Haus war, mussten einzelne davon auch bei anderen Orchestern geliehen werden. So steuerte das Ensemble Modern etwa für Le Grand Macabre eine Windmaschine bei. Zwischen den Frankfurter Orchestern, darunter auch das hr-Sinfonieorchester, herrscht in diesen Fragen ein kollegiales Geben und Nehmen – gerade, wenn das geforderte Instrumentarium über die klassische Standardbesetzung hinausgeht. So ist etwa der »Schicksalshammer«, der in Gustav Mahlers 6. Sinfonie zum Einsatz kommt – ein großer Holzblock mit einem aus Holz gefertigten Riesenhammer – in der Oper vorhanden, wenn aber ein Harmonium gebraucht wird, muss es geliehen werden.

Eine intensive Abstimmung mit den Kolleg*innen anderer Abteilungen innerhalb des Hauses wurde bei der Neuproduktion von Jacques Offenbachs Die Banditen erforderlich. Das Bühnenbild von Etienne Pluss sieht nämlich eine Rutsche vor, die von der Bühne in den Orchestergraben führt und zeitweise einen Großteil des Chores in den Graben befördert. Durch eine rechtzeitige Planung konnten sich die Orchesterwarte aber gut auf diese Herausforderung einstellen und die Positionierung des Orchesters entsprechend anpassen. Allerdings verändert die Rutsche die zeitliche Planung des Aufbaus: So müssen die Orchesterwarte erst alles Material in den Graben bringen, den man wie einen Aufzug hoch- und runterfahren kann, bevor die Technik die Rutsche aufbaut und die Grabenhöhe dann nicht mehr verändert werden kann. Folglich ist dafür einiges an terminlicher Koordination erforderlich.

TRIAL AND ERROR

Ein großer Vorteil war es dabei, dass der Orchestergraben maßstabsgetreu im Orchesterproberaum markiert ist. Dort kann schon während der Proben am jeweiligen Aufbau gefeilt werden. Maßgeblich ist zumeist die Größe der Streicherbesetzung: 14 erste Geigen ist das Maximum; mitunter werden nur 12, 10 oder 8 gebraucht, mit einer dementsprechend geringeren Anzahl an zweiten Geigen, Bratschen, Celli und Bässen. Eine Standardaufstellung hat sich für das Zusammenspiel der Musiker*innen bewährt, die auf expliziten Wunsch der Dirigent*innen aber auch abgeändert werden kann.

Für Die Banditen wurde vorab im OPR die Rutsche abgeklebt, wodurch eine ideale Positionierung der Musiker*innen rund herum ausgetüftelt werden konnte. Während der Proben im OPR stehen die Orchesterwarte in permanentem Austausch mit den Musiker*innen und Dirigent*innen, um gegebenenfalls den Aufbau nachzujustieren. »Unser Ziel ist es immer, dass sich die Orchestermitglieder möglichst komfortabel fühlen und sich auf das Musizieren konzentrieren können. Gerade bei einer vierstündigen Wagner-Oper ist es sehr wichtig, dass sich niemand zu sehr eingeengt fühlt – obwohl gerade hier der Graben oft bis zum letzten Zentimeter ausgenutzt werden muss.«

OSTER-SUCHSPIEL

Hinweis #3: 2024

Die Beschreibung zu unserem Oster-Suchspiel »Wer suchet, der findet« lesen Sie im Magazin März-April auf S. 32/33. 
Viel Spaß!

Zum Wohlbefinden der Musiker*innen tragen auch einige Sicherheitsaspekte bei, die die Orchesterwarte berücksichtigen müssen. In einigen Vorstellungen ist beispielsweise ein Netz über dem Graben gespannt, das vor herunterfallenden Requisiten schützt, aber notfalls auch Sänger auffängt: »Während eines Vorsingens habe ich es erlebt, dass ein Sänger den Orchestergraben nicht gesehen hat und über die Rampe in das Netz gefallen ist. Er ist etwa einen Meter eingesunken, hat sich aber zum Glück nicht verletzt.«

Wie gut und effektiv die Frankfurter Orchesterwarte und Orchesterdirektor Andreas Finke ihre Arbeit verrichten, hat sich mittlerweile herumgesprochen. So gab es bereits die Anfrage eines anderen Hauses nach einem Austausch über Arbeitsläufe. Hanns Will erläutert dazu: »Wenn man mitbekommt, wie sehr die Arbeit unseres Teams andernorts gesehen und wertgeschätzt wird, freut mich das fast noch mehr als unsere mehrfache Auszeichnung als Opernhaus des Jahres.«

Und dass die Oper Frankfurt eine solche Auszeichnung niemals bekommen würde ohne die reibungslose Logistik auf der Bühne und im Orchestergaben, steht außer Frage!

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FOTOS Anne-Marie Antwerpen, Pauline Rackebrandt

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Veröffentlicht am

09.02.2024

Eine Oper – drei Spielorte

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