Im März 2022 sprang Jonathan Tetelman an der Oper Frankfurt spontan als Herzog in Rigoletto ein und begeisterte umgehend das Frankfurter Publikum. In Chile geboren und in den USA aufgewachsen, gehört der Tenor derzeit zu den gefragtesten und vielversprechendsten Vertretern seines Faches. Aktuell ist er als Loris Ipanow in Umberto Giordanos Verismo-Thriller Fedora zu erleben, der Anfang April unter dem Jubel von Presse und Publikum seine Frankfurter Erstaufführung feierte. Wir haben mit ihm über seine Vorliebe für Verismo-Opern gesprochen und erfahren, was der Beruf des DJs mit dem eines professionellen Opernsängers zu tun hat.
Maximilian Enderle:
Wie würdest du die Figur des Loris Ipanow in Fedora charakterisieren?
Jonathan Tetelman:
Loris ist eine sehr impulsive Figur: Er heiratet eine Frau, obwohl er von seiner Mutter dafür verstoßen wird. Er tötet im Affekt seinen besten Freund, weil dieser eine Affäre mit seiner Ehefrau hat. Und schließlich zeigt er auch keinerlei Vorbehalte, Fedora seine Gefühle zu offenbaren. Loris lebt ausschließlich im Moment und ist dadurch eine Art »wildcard«: Man weiß bei ihm nie, was als nächstes passiert … In der Vorbereitung auf die Rolle ging ich diesmal den umgekehrten Weg: Bevor ich überhaupt eine Note sang, setzte ich mich intensiv mit dem Libretto auseinander. Das Stück ist gespickt mit Dialogen und textlich selbst für italienischsprachige Interpreten eine Herausforderung, darum war diese Arbeit notwendig. Die Methode hat funktioniert! Ich habe die Partie sehr schnell gelernt und konnte direkt in die Figur und die Geschichte einsteigen …
Maximilian Enderle:
Du bist seit 2021 exklusiv beim Klassiklabel Deutsche Grammophon unter Vertrag und wirst im Sommer 2022 dein erstes Album veröffentlichen, auf dem auch einige Verismo-Werke vertreten sind. Worin liegt für dich der Reiz dieser Musik?
Jonathan Tetelman:
Eine meiner ersten großen Tenorpartien war Rodolfo in La Bohème. Seither bin ich Verismo-Opern hoffnungslos verfallen! Komponisten wie Puccini, Leoncavallo und Giordano gelingt es auf einzigartige Weise, Charaktere, Szenen und Atmosphären in Musik zu fassen. Ihre Opern sind stark durch die jeweiligen Geschichten geprägt, und dieses Geschichten-Erzählen durch Musik mag ich sehr. Als Sänger muss ich alle Register meiner Stimme einsetzen, um die ungeheure Expressivität der Werke lebendig werden zu lassen, was immer wieder eine tolle Herausforderung ist!
Maximilian Enderle:
Deinen Lebensunterhalt hast du zwischenzeitlich als DJ bestritten. Wie kam es, dass dich dein Weg vom DJ-Pult schließlich doch in die Oper geführt hat?
Jonathan Tetelman:
Mein Gesangsstudium begann ich zunächst als Bariton, ehe ich nach dem Bachelor das Stimmfach wechselte. In dieser Übergangsphase hatte ich eine Art »Quarter-Life-Crisis«: Ich war als Tenor stimmlich noch nicht so weit, wie ich wollte, und hatte gleichzeitig noch nicht die nötige Disziplin für eine professionelle Sängerkarriere. In dieser Zeit begann ich in Clubs aufzulegen, was für mich auch ein kreatives Ventil war: Ich mixte Aufnahmen verschiedener Zeiten und Stile zusammen und schuf dadurch neue Songs. Es war eine großartige Erfahrung, und ich hatte viel Spaß daran, die Menschen zu inspirieren und zu unterhalten ̶ ähnlich wie als Sänger auf der großen Bühne. An einem gewissen Punkt verspürte ich aber wieder den Drang, in der Oper zu arbeiten: Ich verkaufte mein gesamtes DJ-Equipment und begann mit voller Konzentration an meiner Stimme zu feilen. Mittlerweile habe ich einen vollen Terminkalender, bin verlobt und Vater einer kleinen Tochter ̶ für Auftritte als DJ bleibt da ohnehin keine Zeit mehr!
Trailer zu »Fedora« von Umberto Giordano | Oper Frankfurt
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