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Interviews

NEU IM OPERNSTUDIO: ABRAHAM BRETÓN

Von der mexikanischen Ranch zur Oper Frankfurt: Abraham Bretón hat einen bemerkenswerten Weg hinter sich. Trotz der Herausforderungen der Pandemie und des Neuanfangs in unserem Opernstudio hat er sich mit Talent und Entschlossenheit einen Platz auf der großen Bühne erkämpft. Lesen Sie, wie der Tenor als Don José brillierte und welche Träume er noch verfolgt.

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Abraham Bretón bei seinem Rollendebüt als Don José in Carmen im März 2024, an der Seite von Varduhi Abrahamyan. © Barbara Aumüller

Von der Ranch auf die Opernbühne: Abraham Bretóns außergewöhnlicher Weg in unser Opernstudio

In Barrie Koskys Carmen-Inszenierung muss der Sergeant Don José die schöne Carmen mit einem langen Seil fesseln, weil sie eine andere Frau mit dem Messer angegriffen hat. Dann steigt er die große Treppe hinauf, die das Bühnenbild von Katrin Lea Tag beherrscht, und hält sie am straffen Seil. Keine leichte Aufgabe! Abraham Bretón: »Ich bin es von meiner Kindheit und Jugend auf der Ranch meines Vaters in Mexiko her gewohnt, mit dem Lasso umzugehen. Aber dieses Seil war ziemlich weich und verhedderte sich leicht – und ich hatte nur sehr wenig Zeit, den Umgang damit auf der Bühne auszuprobieren. Dazu der Text, die Musik, der Kontakt zu Carmen … eine Herausforderung!«

Überhaupt war es eine neue Erfahrung für den Tenor zu erleben, was der Alltag an einem Repertoirehaus wie der Oper Frankfurt manchmal bedeuten kann. Die Proben zur Wiederaufnahme der Carmen fanden statt, während er noch Vorstellungen der Operette Die Banditen hatte; in der Neuinszenierung, die Ende Januar 2024 Premiere hatte, sang er die Partie des Grafen Gloria-Cassis. So blieb nicht viel Zeit für die Carmen-Proben. »Jetzt weiß ich, dass ich nicht hundert, sondern hundertfünfzig Prozent vorbereitet sein muss!«, sagt Abraham. Das Rollendebüt als Don José im März 2024 ist dann aber erfolgreich über die Bühne gegangen.

Vom Pferderücken zur Musikhochschule

Im mexikanischen Hochland ist klassische Musik nicht sehr verbreitet. Die meiste Freizeit verbrachte der junge Mexikaner mit dem Nationalsport: Charrería – eine Art Rodeo-Reiten, bei dem man auf dem Pferderücken alle möglichen Kunststücke vollführen muss. »Aber mein Vater liebte es, sich hin und wieder CDs mit klassischer Musik zu kaufen – vollkommen wahllos. So kam ich in Berührung damit.« Begeistert war er von mexikanischen Kinohelden, die in einschlägigen Filmen auch singen. Auf einer Party forderte eine Cousine ihn heraus: »Wenn du so ein tollkühner Mann sein willst wie die da auf der Leinwand, dann zeig doch mal, was du kannst! Geh nach vorn und nimm das Mikro!«, erinnert sich Abraham. »Der Typ, der sich um die Musik kümmerte, fragte mich, ob ich denn Erfahrung mit dem Singen hätte. Ich sagte: Nein. Darauf er: Hol einfach Luft und sing los. Das war der beste Ratschlag, den ich je bekommen habe!« So entdeckte er die Begeisterung für das Singen. Dabei begleitete er sich schon bald selbst auf der Gitarre – ohne Noten lesen zu können. »Die Griffe habe ich mir irgendwie zurechtgelegt; von Harmonielehre hatte ich keine Ahnung.«

Mexiko ist kein reiches Land. Der Beruf des Sängers hat dort keinen besonders guten Ruf. »Mein Vater hat immer gesagt: Du wirst als Bettler enden – oder bestenfalls auf Hochzeiten auftreten.« Dabei gibt es nicht wenige berühmt gewordene mexikanischer Sänger: Ramon Vargas, Xavier Camarena, Rolando Villazón … aber die haben ihre Karriere nicht in Mexiko gemacht. Tenor, das hieß für Abraham damals: Carreras, Domingo, Pavarotti. Vor allem letzterer war sein Idol. Trotz vieler Zweifel fasste er schließlich den Entschluss, sich ganz der Musik zu widmen.

»Mein Vater hat immer gesagt: Du wirst als Bettler enden – oder bestenfalls auf Hochzeiten auftreten.«
Abraham Bretón

Über Länder und Kontinente

Um das Singen ernsthaft zu verfolgen, musste der Bauernsohn erst einmal in die nächstgelegene Stadt: Puebla. Nach der musikalischen Grundausbildung ging er auf die Escuela Nacional de Música in Mexiko Stadt. Und schaffte nach dem Bachelor den Sprung an die Academy of Vocal Arts in Philadelphia. Parallel besuchte er Sommerkurse: bei den in Italien abgehaltenen Kursen des Oberlin College (Oberlin in Italy), beim Apprentice Program der Santa Fe Opera und in zwei Sommern am American Institute of Musical Studies in Graz. Unterdessen hatte die Pandemie das Musikleben vielfach zum Erliegen gebracht. So musste der nunmehr fertig ausgebildete Sänger zunächst einmal zurück nach Mexiko und sich Arbeit suchen, um zu überleben. Denn inzwischen hatte der junge Mann schon eine Familie gegründet und musste Frau und Kind ernähren; inzwischen sind es sogar zwei Kinder.

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Wie auf den Leib geschneidert: Die Partie des Grafen von Gloria-Cassis in Die Banditen. © Barbara Aumüller

Das Opernstudio als Wiedereinstieg nach Corona

In Philadelphia konnte er bereits große Rollen in Studioaufführungen singen: Alfredo (La traviata), Nemorino (Elisir d’amor), Herzog von Mantua (Rigoletto), sogar Mime (Das Rheingold). Deutsch spricht er allerdings noch nicht sehr gut. »Auf Deutsch zu singen fällt mir leichter als es zu sprechen.« Zum Glück entschied sich Regisseurin Katharina Thoma, die sogenannten »Spanier« bei der auf Deutsch gesungenen Offenbach-Operette Die Banditen in den gesprochenen Dialogpassagen Spanisch sprechen zu lassen; mit Juanita Lascarro als Prinzessin von Granada war ein zweites Ensemblemitglied aus Lateinamerika an seiner Seite, die dafür den richtigen Akzent mitbrachte. Ein großer Spaß!

Auch wenn Abraham eine gründliche Ausbildung hinter sich und schon einige professionelle Erfahrungen gemacht hatte, musste er nach dem Einschnitt der Corona-Pandemie quasi noch einmal von vorne anfangen. Dafür bot das Opernstudio der Oper Frankfurt genau den richtigen Rahmen. Der Pianist und Vocal Coach Eytan Pessen, ein erfahrener Juror bei zahlreichen Gesangswettbewerben, der auch in Frankfurt immer wieder Meisterkurse gibt, hörte ihn und empfahl ihn für ein Vorsingen. Und es klappte! Nach kleineren Partien wie dem Ersten geharnischten Mann (Die Zauberflöte), dem Gastwirt (Das schlaue Füchslein) und Fürst Yamadori (Madama Butterfly) ist mit Don José jetzt der Schritt zu den wichtigen Partien gemacht. Und irgendwann werden die Puccini-Rollen kommen, von denen er träumt: Des Grieux (Manon Lescaut), Pinkerton (Madama Butterfly), Calaf (Turandot). Seine aktuellste Partie ist die Doppelrolle des Lucio / Ein Gondoliere in Rossinis Otello.

In Frankfurt fühlt sich der Tenor sehr wohl: »Es ist keine sehr große Stadt, aber es fühlt sich wie eine echte Metropole an. Zugleich ist man schnell in der Natur.« Und vielleicht erfüllt sich bald noch ein anderer Traum: einen Reitstall finden, wo er wieder seinem Lieblingssport nachgehen kann.

Szenenfotos aus »Das schlaue Füchslein«, »Otello«, »Madama Butterfly«.

SZENENFOTOS Barbara Aumüller

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Veröffentlicht am

07.06.2024

Eine Oper – drei Spielorte

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