Wie viele von Händels Opern entstand Giulio Cesare in Egitto für die 1719 gegründete Royal Academy of Music. Uraufgeführt wurde sie am 20. Februar 1724 im Londoner King’s Theatre. Der Stoff war in Mode, Händels Instrumentierung luxuriös, die Ausstattung überaus aufwendig, und mit Senesino als Cesare und Francesca Cuzzoni als Cleopatra standen zwei der größten Stars ihrer Zeit auf der Bühne. Kein Wunder also, dass Giulio Cesare in Egitto direkt einschlug. Der Musikhistoriker und Zeitgenosse Charles Burney etwa berichtet über eine Oper, »die Schönheit aller Art im Überfluss bietet«. Und bis heute hält sie sich als das meistgespielte Händel-Werk auf den internationalen Bühnen.
Formal wagt sich der Komponist über das Schema F hinaus, führt sein »dramma per musica« aber traditionsgemäß in ein »lieto fine«, wofür er ein grandioses Tableau inklusive Schlussensemble entwickelt, das von vier Hörnern begleitet wird, und Cleopatras Krönung zur Königin von Ägypten flankiert. Händel gelingt in der Partitur eine überaus differenzierte Ausleuchtung und Entwicklung der Charaktere. Dabei widmet er sich gerade den Frauen mit einer großen Aufmerksamkeit: Cleopatra und Cornelia. Letztgenannte avanciert von einer Nebenfigur zur tragischen, tragenden Rolle. Diese Entscheidung hängt vor allem mit der Vorliebe des englischen Publikums für Arien zusammen und ergibt zugleich eine ungewohnte Figurenkonstellation: Statt der üblichen Liebesrivalitäten und Eifersuchtsszenen werden Cesare und Cleopatra von Kriegsereignissen, politischen Intrigen und Attentätern bedroht. So entwickelt sich ein dramatisches Geschehen, das mit der Absicht zur Versöhnung beginnt, in Sekundenschnelle zu einer Handlungskette aus Mord und Totschlag.
Als Politthriller und Liebesdrama zugleich findet Händels Giulio Cesare in Egitto mit einer Fülle an Motiven, parallel verlaufenden Handlungssträngen und raschen Szenenwechseln zu einem rasantem Tempo, während die Fokussierung existenziell wirkender Affekte wie Trauer, Rache, Machtgier und Liebe immer auch Historie selbst, das Fortschreiben von Weltgeschichte und die Überzeitlichkeit der Vorgänge spiegelt.
Auszug aus dem Magazin März / April 2024.