WUNDERBARE MELANCHOLIE
DEBORAH EINSPIELER Don Pasquale ist als Spätwerk bzw. als letzte Opera buffa in die Musikgeschichte eingegangen. Ist das Ende der Buffa-Gattung schon an der einen oder anderen Stelle ablesbar?
SIMONE DI FELICE Don Pasquale ist ein Meisterwerk von außerordentlicher musikalischer Kraft. Wir erleben einen melancholischen und zutiefst menschlichen Don Pasquale, der neben all den komischen Momenten in der Lage ist, auch Zwischentöne zu formulieren. In diesem Sinne findet mit Don Pasquale der Abschied von der Opera buffa statt, und gleichzeitig erleben wir den Prototypen eines außergewöhnlichen Unikums – Verdis Falstaff.
DE Was interessiert euch an Donizettis Don Pasquale besonders?
CATERINA PANTI LIBEROVICI Mir sind drei wesentliche Aspekte wichtig: Don Pasquale ist die letzte eigentliche Opera buffa, auch wenn das nicht Donizettis Plan war; zweitens haben wir es mit einem wirklich alten Pasquale zu tun – heute wäre er über 90 Jahre alt. Und schließlich interessiert mich die Brücke zur Biografie von Gaetano Donizetti. Er war schon in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium seiner Syphilis, als er die Oper komponierte, hatte Halluzinationen. Und auch er hatte wie Pasquale einen Neffen – Andrea. Die drei Ebenen überlappen sich. Diese Gemengelage war der Ausgangspunkt für unsere Idee zu Don Pasquale.
DE Was hat dich zu deiner Personenführung inspiriert?
CPL Eigentlich war es das Gefühl, dass die Figuren – außer Pasquale – keine realistischen Charaktere mit einer psychologischen Entwicklung und entsprechenden Emotionen sind. Pasquale berührt mich mit all seinen Farben und seiner Menschlichkeit zutiefst. Dagegen bleiben alle anderen flach. Auffällig sind die von der Commedia dell’arte und der europäischen Theatertradition inspirierten Charaktere: Malatesta ist der typische Strippenzieher, er hat ein doppeltes Gesicht wie schon Arlecchino. Dieser war eigentlich ein Teufel, wiederum aus der nordischen Mythologie kommend. Verdis Falstaff als eine typisch englische Theaterfigur ist ein weiteres Beispiel dieser gemeinsamen europäischen Traditionen…
DE Wo stecken die musikalischen Höhepunkte dieser Belcanto-Oper?
SDF Die Qualität von Donizettis Inspiration ist legendär, es wäre unmöglich, eine Art Klassifizierung zu erstellen. Ich hege eine persönliche Vorliebe für die Ensemblestücke, und ich höre immer mit Bewunderung und Rührung beispielsweise beim Trio im zweiten Akt »Stà a vedere«, das Quartett im Herzen des zweiten Finales »È rimasto senza fiato« und das Duett zwischen Norina und Don Pasquale im dritten Akt, in dem er sich im Selbstgespräch und immer wieder vor Augen hält: »Es ist vorbei«. Meint er hier seine Jugend, sein eigenes Leben, die Opera buffa oder den Untergang eines Stiles, der zunehmend unmodern wurde?
CPL Der außergewöhnlichste Teil dieser Oper ist vielleicht das Finale im zweiten Akt mit seiner großartigen Struktur und der Art, wie Donizetti das Dramma buffo für das Ende vorbereitet. Dieses Muster wird die Zeit überdauern. Es gibt diese schnelleren Momente und dieses fantastische Quartett, was Ruhe und Reflexion zulässt. Und rechtzeitig zum Ende des Aktes stürzen wir wieder in Bewegung. Am Beginn des dritten Aktes ist im Duett zwischen Pasquale und Norina eine deutliche Melancholie spürbar. Aber schon die Ouvertüre liefert wundervolle und verrückte Themen. Und ich liebe das Terzett aus der dritten Szene im zweiten Akt, das habe ich »Carillon«, also Glockenspiel getauft. Und dann gibt es noch viele weitere…
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