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Interviews

ALMUT HEIN: »TYPISCH IST, DASS NICHTS TYPISCH IST«

Seit 2002 gestaltet Almut Hein als Künstlerische Betriebsdirektorin und seit 2010 auch als Stellvertretende Intendantin den Frankfurter Opernalltag mit. Über die Opernliebe auf den zweiten Blick, das Ergreifen von Chancen und einen besonderen Arbeitsplatz. Ein Porträt.

Wer hätte gedacht, dass es sie irgendwann an die Oper Frankfurt verschlägt? Sie selbst vermutlich am wenigsten. Aufgewachsen mit Wellen, Watt und Wind als viertes von fünf Geschwistern, »die heute irgendwie alle etwas mit Kunst und Musik zu tun haben«, war das nächste Opernhaus in Almut Heins Kindertagen hunderte Kilometer entfernt. »Oper kannte ich damals vor allem aus dem Fernsehen. Das, was ich da gesehen habe, fand ich aber erstmal nicht wirklich spannend.« Umso begeisterter spielte sie Cello in diversen Jugendorchestern und nahm jede Freizeit mit, bei der neben dem gemeinsamen Musizieren die Nacht zum Tag gemacht wurde. »Ein Cello braucht es ja ständig irgendwo, ob zu privaten Anlässen oder sonntags in der Kirche.« Da Almut Hein das Cello sowieso immer dabei hatte, war ihr Entschluss zu einem Instrumentalstudium »an der Folkwang« nur konsequent.

AUF ZU NEUEN UFERN

Vom Ruhrpott, wo sie ihr Studium abschloss, war es nicht weit nach Bonn. Dort stand ein Intendanten-Wechsel am Opernhaus an und man suchte eine Dramaturgie-Assistentin. »Ich hab mich einfach beworben und wurde genommen. Aber Dramaturgie war nicht wirklich mein Ding.« Kurz darauf wurde die Position »Leitung KBB« vakant und Intendant Giancarlo del Monaco fragte sie, ob sie sich das zutraute …

»Ich hatte zwar keine Vorstellung, was mich da erwartet, aber ich habe ›ja‹ gesagt. Und nach diesem Quereinstieg war ich schnell ›infiziert‹ von dem ›Gesamtkunstwerk‹ Oper.«
Almut Hein

Fünf Jahre blieb Almut Hein und liebte es, vor Ort zu sein. Schon damals spornte es sie an, dazu beizutragen, »den Laden am Laufen zu halten«.

Nach einer Zwischenstation als Referentin des Generalintendanten am Nationaltheater Mannheim ging es schließlich noch weiter in den Süden – »nach Wien, in eine Stadt, die ich sehr genossen habe, auch wenn das Zwischenmenschliche dort als Norddeutsche durchaus eine Herausforderung sein konnte«. In Wien wechselte Almut Hein bewusst die Seiten, um den Kulturbetrieb aus der Perspektive einer Künstleragentur kennenzulernen. »Das war eine sehr lehrreiche Zeit«, erzählt sie.

MULTITASKING – NEXT LEVEL

2001 fragte der designierte Intendant Bernd Loebe, ob sie sich vorstellen könnte, als Künstlerische Betriebsdirektorin mit nach Frankfurt zu kommen, »in eine Stadt, die ich damals überhaupt nicht kannte«. Aufgrund ihrer mittlerweile gesammelten Erfahrungen hatte sie diesmal auch eine etwas konkretere Vorstellung von den mit dieser Position verbundenen Aufgaben und Anforderungen. Sie wusste, was es an der Schnittstelle zwischen Künstler*innen, Agenturen, anderen Opernhäusern, den Abteilungen des eigenen Hauses und der Intendanz braucht:

»Multitasking, Kommunikation, Flexibilität, Empathie und ein dickes Fell, weil man sich mit manchen Entscheidungen durchaus auch unbeliebt macht.«
Almut Hein

Um sich vor allem von erstgenannter Anforderung ein Bild zu verschaffen, reicht ein kurzer Moment in Almut Heins Büro: Während im Minutentakt E-Mails oder Kurznachrichten auf dem Handy hereinkommen, klingelt mindestens eines ihrer Telefone. Dabei koordiniert sie die »Jahresfahrpläne« und Gastierabwesenheiten der über 40 Ensemblesängerinnen, verhandelt Gastverträge von Dirigentinnen und Sänger*innen, kümmert sich in Abstimmung mit Bernd Loebe um die Besetzung der Partien, erstellt und überblickt das Budget für alle anstehenden Produktionen der nächsten drei Jahre oder steckt in einem persönlichen Gespräch, …

»Stets gilt es dabei, die Ressourcen des Hauses und der einzelnen Abteilungen im Blick zu haben.«
Almut Hein

Auch wenn sie mal nicht in der Oper ist, ist Almut Hein im Kopf »eigentlich immer vor Ort«. Sie hat grundsätzlich alle Telefonnummern bei sich und ist jederzeit ansprechbar. »Insofern war das Corona-Weihnachten das entspannteste Weihnachten seit Jahren«, lacht sie. Entspannung vom turbulenten Opernalltag findet Almut Hein sonst zusammen mit ihrem Mann bei Spaziergängen oder Wanderungen im Rheingau oder in Südtirol – »da, wo sich Landschaft, Kultur und Kulinarik verbinden«.

»DIE MUSIK HAT MIR UNENDLICH GEFEHLT«

Die Verbindung von Kultur und Kulinarik ist auch das, was Almut Hein an Frankfurt besonders schätzt, wo kein Tag ihres Berufslebens wie der vorhergehende abläuft: »Typisch ist, dass nichts typisch ist.« Vielleicht ist es gerade dieser Erfahrungswert, der hilft, mit einer der wohl untypischsten Situationen, wie sie der Opernbetrieb während der Pandemie erlebt, umzugehen. »Das, was auf der Bühne stattfindet, sei es eine Probe oder eine Vorstellung, sowie die besondere, kreativ-nervöse Anspannung vor einer Premiere – das ist unsere tägliche Motivation. Doch lange war das Opernhaus wie erstarrt. Die Musik hat mir unendlich gefehlt, so ein Barockabend, ein Tristan oder eine Strauss-Oper! Normalerweise haben wir die Möglichkeit, auch Entwicklungen innerhalb von Vorstellungsserien mitzuverfolgen. Da denke ich manchmal: Wie schade, dass das Publikum in der Regel nur eine Vorstellung erlebt …«

ES KOMMT AUF JEDEN EINZELNEN AN

Almut Hein erzählt von dem großen Mehraufwand, der mit den derzeitigen Bedingungen und sich permanent verändernden Bestimmungen einhergeht. Hygienekonzepte auf, vor und hinter der Bühne sowie der Umgang mit Raum- und Reisebeschränkungen bringen erhebliche Schwierigkeiten mit sich: »In den letzten 16 Monaten haben wir erlebt, wie diese zusätzliche Arbeit ohne ein Ergebnis, also ohne Live-Vorstellungen vor Publikum, verhallen kann. Das war frustrierend. Im Moment bleibt die große Herausforderung, dass Planungen und Verträge trotz der Ausnahmesituation weiterlaufen und alles eng miteinander verwoben ist.

»Jedes noch so kleine Zahnrad, das sich nicht drehen kann, hat mitunter erhebliche Konsequenzen für das Gesamtgefüge des Opernbetriebs.«
Almut Hein

Auch in dieser seltsamen Zeit wünscht sich Almut Hein wie stets, »dass die Qualität stimmt«. Die Basis dafür sieht sie – und das bewahrheitet sich gerade in schwierigen Momenten – in dem, was den Alltag und das Miteinander an der Oper Frankfurt ausmacht: »Die Menschen, die hier arbeiten, haben eine große Leidenschaft für das, was sie tun, aber vor allem einen starken Teamgeist und ein gemeinsames Ziel!«

FOTOS Barbara Aumüller

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Veröffentlicht am

15.07.2021

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