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VORHANG AUF FÜR DIE SPIELZEIT 2023/24

Es ist wieder soweit – Vorhang auf für die Spielzeit 2023/24! Das bedeutet jede Menge Opernerlebnisse mit packenden Neuinszenierungen und Repertoire-Klassikern, die uns das ganze Jahr über verzaubern werden. Werfen wir einen Blick auf den Spielplan und schauen, was uns die neue Spielzeit bringt.

Inhalt

  1. Die Vorfreude steigt: Ankündigung der Spielzeit 2023/24
  2. Highlights und Premieren: Ein Blick auf das Programm
    1. Premieren 2023/24
    2. Repertoire 2023/24
    3. Liederabende 2023/24
  3. Unsere neuen Ensemble-Mitglieder
  4. Neue Spielstätte für das JETZT!-Programm
  5. Ticketverkauf startet bald: Tipps für den Kartenkauf
  6. Eine vielversprechende Spielzeit erwartet uns

Die Vorfreude steigt: Ankündigung der Spielzeit 2023/24

Nach langem Warten und Spekulieren hat Intendant Bernd Loebe am 10. Mai die Spielzeit 2023/24 der Oper Frankfurt angekündigt. Die Vorfreude steigt: welche Premieren, Wiederaufnahmen, Liederabende und weitere Aufführungen erwarten uns in der kommenden Saison? Was auch immer auf dem Programm steht, eins ist sicher: Es wird großartig werden!

Highlights und Premieren: Ein Blick auf das Programm

Die Spielzeit 2023/24 verspricht einiges an Highlights und Premieren für alle Theaterfans. Von klassischen Stücken bis hin zu modernen Inszenierungen ist alles dabei. Besonders freuen wir uns auf die erste Premiere unseres neuen Generalmusikdirektors Thomas Guggeis, der mit Le nozze di Figaro in einer Inszenierung von Tilmann Köhler den Auftakt geben wird.

Ein weiteres Highlight ist die Neuinszenierung von Verdis Aida, die nach über vierzig Jahren ihre Rückkehr auf die Frankfurter Opernbühne feiert. Erleben Sie diesen Opernklassiker ab 3. Dezember 2023 in einer Lesart von Lydia Steier und unter der musikalischen Leitung von Erik Nielsen.

Premieren 2023/24

In Szene gesetzt werden unsere Premieren von den Regisseur*innen Caterina Panti Liberovici, Tilmann Köhler, Vasily Bakhatov, Lydia Steier, Nina Brazier, Katharina Thoma, Dorothea Kirschbaum, Nadja Loschky, Matthew Wild and Tatjana Gürbaca.

Repertoire 2023/24

Wir können uns auf ein vielfältiges Programm freuen, das die musikalischen Epochen durchstreift und für jeden Geschmack etwas bereithält. Natürlich gibt es auch Highlights, auf die wir uns besonders freuen dürfen. Das Repertoire beinhaltet einige Publikumslieblinge, darunter auch zwei Inszenierungen des Kult-Regisseurs Barrie Kosky (Salome und Carmen).

Ein absolutes Must-See ist Die Nacht vor Weihnachten, mit der die von der Opernwelt als »Aufführung des Jahres« prämierte Inszenierung von Christof Loy auf die große Bühne der Oper Frankfurt zurück.

Liederabende 2023/24

Für die Liederabende begrüßen wir unter anderem ehemalige und aktuelle Ensemble-Mitglieder als Liedinterpret*innen auf der Bühne. Zu Beginn der Saison freuen wir uns auf ein Wiedersehen mit Pauly Murrihy, die aktuell in der Kosky-Inszenierung von Händels Hercules für Applausstürme sorgt. Bassbariton Nicholas Brownlee gehört seit drei Jahren zum Ensemble und stellt mit seinem ersten Liederabend neue Farben seiner stimmlichen Charaktierisierungskunst vor.

Freuen Sie sich auf ein Programm, das sowohl etablierte Stars als auch aufstrebende Talente umfasst. Wir hoffen sehr, dass Sie sich genauso darauf freuen wie wir!

Unsere neuen Ensemble-Mitglieder

In der kommenden Spielzeit 2023/24 dürfen wir uns über einige neue Gesichter auf und hinter der Bühne freuen. Wir haben unser Ensemble um einige talentierte Sänger*innen erweitert.

Sopranistin Karolina Bengtsson hat ihre Zeit im Opernstudio der Oper Frankfurt mit Bravour gemeistert und wird nun zur kommenden Saison in das Ensemble übernommen. Sie ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, darunter der Nachwuchspreis beim internationalen Gesangswettbewerb »Die Meistersinger von Nürnberg«, den sie 2022 gewann.

Magdalena Hinterdobler gab ihr Debüt an der Oper Frankfurt als Eva in Die Meistersinger von Nürnberg im Herbst 2022 und hinterließ nicht nur beim Publikum einen bleibenden Eindruck. Weitere Höhepunkte der Spielzeit 2022/23 beinhalten Agathe (Der Freischütz) am Theater Chemnitz sowie ihr Debüt als Chrysothemis (Elektra) am Tiroler Landestheater in Innsbruck.

Der junge Tenor Magnus Dietrich wechselt mit Beginn der Saison 2023/24 vom Internationalen Opernstudio der Staatsoper Berlin in das Frankfurter Ensemble. Nach seinem erfolgreichen Debüt als Tamino (Die Zauberflöte) 2021/22, übernahm er diese Partie in der aktuellen Spielzeit erneut an seinem Stammhaus sowie an der Semperoper Dresden.

Wir sind gespannt, welche neuen Ideen und Impulse sie in die kommende Saison einbringen werden. In Verbindung mit unserem prämierten Chor und dem ausgezeichneten Frankfurter Opern- und Museumsorchester können wir es kaum erwarten, den Vorhang für unsere Solist*innen zu öffnen.

Neue Spielstätte für das JETZT!-Programm

Im JETZT-Programm bieten wir in der kommenden Saison wieder Veranstaltungen für Operneinsteiger*innen – unabhängig vom Alter. Hier kommen zum einen Kinder und Jugendliche auf den Musiktheater-Geschmack, aber es gibt auch Workshops und Angebote für Erwachsene, wie zum Beispiel die Kurzformate Intermezzo oder Oper to go.

Der große Unterschied zur aktuellen Spielzeit? Wir haben eine neue Spielstätte!

Ab September finden Sie einen Großteil der JETZT!-Veranstaltungen in der NEUE KAISER. Das PopUp-Projekt öffnete im Mai 2023 seine Pforten und beherbergt neben der Spielstätte außerdem ein Gastro-Angebot der Frankfurter Neue Küche. Die neue Bühne befindet sich schräg gegenüber des Opernhauses in der ehemaligen Schalterhalle der Commerzbank, Kaiserstraße 20.

Interessiert an JETZT? Dann schauen Sie doch mal hier vorbei.

Ticketverkauf startet bald: Tipps für den Kartenkauf

Wenn die Vorfreude auf die kommende Spielzeit steigt, dann ist es auch höchste Zeit, sich um Tickets zu kümmern. Denn wer kennt das nicht: Man wartet und wartet und plötzlich sind die besten Plätze schon weg. Damit Ihnen das nicht passiert, haben wir ein paar Tipps für den Kartenkauf zusammengestellt.

  1. Timing ist alles! Der Vorverkaufsstart ist am 17. Juli – für Abonnent*innen sogar bereits am 13. Juli. –und die begehrten Plätze sind meistens in Windeseile vergriffen.
  2. Fragen erwünscht!. Sie kennen sich noch nicht so gut bei uns aus? Kein Problem, unsere Kolleg*innen im telefonischen Kartenverkauf oder beim Abo- und Infoservice kennen das Haus wie ihre Westentasche. Außerdem können Sie ihnen dabei helfen, das richtige Abo für Ihre Wunschvorstellungen zu finden.
  3. Bleiben Sie flexibel! Nutzen Sie alle Möglichkeiten, um an Tickets zu kommen – sei es online, telefonisch oder direkt an der Theaterkasse. Wenn Ihre Wunschvorstellung schon ausverkauft ist, gibt es vielleicht noch Alternativtermine oder andere Stücke, die Sie interessieren könnten.

Mit diesen Tipps steht einem unvergesslichen Theatererlebnis in der Spielzeit 2023/24 nichts mehr im Weg!

Eine vielversprechende Spielzeit erwartet uns

Die kommende Saison verspricht eine Menge aufregender und vielversprechender Opernabende für uns alle. Mit neuen Stücken, talentierten Sänger*innen und Regisseur*innen wird uns diese Spielzeit sicherlich begeistern. Für Sie ist es auch eine großartige Gelegenheit, neue Werke zu entdecken, denn wie immer legt die Oper Frankfurt einen großen Fokus auf Werke, die es sonst eher selten auf die Spielpläne schaffen. Also schnallen Sie sich an und machen Sie sich bereit für eine unvergessliche Spielzeit!

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Text: Anne-Marie Antwerpen
Redaktion: Laura Salice
Szenenfotos: Barbara Aumüller, Monika Rittershaus
Fotos: Sophia Hegewald, Simon Pauly, Jakob Schad, Anne-Marie Antwerpen
26. Mai 2023

RÜCKKEHR NACH FRANKFURT: CLARRY BARTHA

Mit einer Stimme, die immer noch berührt, hat sich Clarry Bartha seit über 40 Jahren ihren ganz eigenen Platz in der Welt der Oper erobert. Wir schildern die lange Reise der schwedischen Sopranistin, auf der die Oper Frankfurt eine wichtige Rolle spielte und aktuell wieder spielt.

Vor 35 Jahren hat sie zum ersten Mal auf der Bühne der Oper Frankfurt gestanden – im Februar 2023 kehrte sie zurück: Die schwedische Sopranistin Clarry Bartha übernahm in der Wiederaufnahme der Oper Der ferne Klang von Franz Schreker eine Rolle, die der Komponist als »Ein altes Weib« bezeichnet. Daneben treten auch Figuren wie »Ein zweifelhaftes Individuum« oder »Ein Schmierenschauspieler« auf … keine sehr schmeichelhaften Benennungen! Doch das »alte Weib« spielt im 1. Akt eine wichtige Rolle; hält sie doch Grete, die von Fritz sitzen gelassen wurde, um dem geheimnisvollen »fernen Klang« nachzujagen, vom Selbstmord ab.

Parallel zu ihren Auftritten in Der ferne Klang unterrichtete Clarry Bartha am Opernstudio – und ist dafür im Mai 2023 nochmals in Frankfurt. Im Rahmen von Meisterkursen gibt sie ihren immensen Erfahrungsschatz und ihr Wissen an die jungen Sänger*innen weiter. Wie verlief ihr eigener Lebensweg?

Clarry Bartha: »Geboren wurde ich 1956 in der Stadt Västerås. Das liegt ungefähr 110 km nordwestlich von Stockholm. Schon mit 16 ging ich nach Italien und absolvierte in Rom ein Musikgymnasium, bevor ich zum Studium an der berühmten Accademia di Santa Cecilia zugelassen wurde. Gewohnt habe ich in einem Nonnenkloster. Nach Diplom und Master setzte ich die Ausbildung in London bei Vera Rosza fort; dort traf ich meine Freundin Anne Sofie von Otter wieder.«

Das Schreckensjahr 1987

1981 debütierte Clarry Bartha als Donna Anna im wunderschönen, originalgetreu erhaltenen Barocktheater von Drottningholm. Danach folgte eine Reihe von Gastengagements, u.a. am Theater Basel, dem sie über Jahre verbunden blieb. 1987 holte Gary Bertini sie nach Frankfurt. Hier war sie sieben Jahre lang Ensemblemitglied. »1987, das war das Schreckensjahr der Frankfurter Oper. Nach einer Vorstellung Così fan tutte rief mich eine Kollegin an und sagte: Das Opernhaus brennt! Ich dachte erst, es sei ein Scherz. Das Theater wurde durch den Brand schwer beschädigt; jahrelang mussten wir in Ausweichspielstätten spielen!«

Doch für Clarry Bartha war es eine glückliche Zeit. Nachdem sie zunächst lyrischere Partien wie Fiordiligi, Desdemona, Rusalka und Tatjana gesungen hatte, schaffte sie den Sprung ins lyrisch-dramatische Fach: Die Elsa ebnete den Weg zu Wagner und Strauss, zu Janáček (neben Katja Kabanowa später auch die Kabanicha in derselben Oper) und Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk. Parallel gastierte sie auf vielen der bedeutenden Bühnen der Welt: Berlin, Brüssel, London, Mailand, Rom, Paris, Stockholm, Zürich…

Glücklich war die Zeit in Frankfurt auch aus privaten Gründen: »Hier bin ich meinem Ehemann Reiner Schmidt begegnet. Er war Solobratschist im Opern- und Museumsorchester. Bei den Proben zu einer gemeinsam bestrittenen Kammermusikmatinee kamen wir uns näher.« Noch während ihres Festengagements wurde Sohn Florian geboren, der heute ein gefragter Cellist ist. Später folgte noch Tochter Arabella. Ihr Mann wurde als Professor zunächst nach Würzburg berufen, später als Gastprofessor nach Rom und schließlich nach Sydney. »Wer weiß? Vielleicht spielen heute noch einige seiner ehemaligen Studierenden im Frankfurter Opernorchester!«

Die Förderung des Nachwuchses

Im Main-Tauber-Kreis baute sie zusammen mit ihrem Mann den Förderkreis Bronnbacher Klassik auf, der im ehemaligen Zisterzienserkloster in Bronnbach Konzertreihen wie den Bronnbacher Musikfrühling und Meister von Morgen veranstaltet. Nach dem Tod von Reiner Schmidt 2011 führte Clarry Bartha diese Tätigkeit fort. »Daneben war mir die Förderung des Nachwuchses immer ein Anliegen. Also ließ ich mich 2016 dazu überreden, die Leitung des Gesangswettbewerbs DEBUT im nahegelegenen Weikersheim zu übernehmen.« Der internationale Operngesangswettbewerb gilt mittlerweile als vielbeachtetes Sprungbrett für junge Sängerinnen und Sänger; manche der Preisträger*innen – wie die schwedische Sopranistin Karolina Bengtsson oder der kasachische Tenor Kudaibergen Abildin – haben den Weg an die Oper Frankfurt gefunden.

2022 gehörte der Jury erstmals auch der Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe an. Als eines der Wettbewerbsstücke standen verpflichtend zwei Ausschnitte aus der Dante-Oper Inferno von Lucia Ronchetti, uraufgeführt 2021 im Bockenheimer Depot, auf dem Programm. Clarry Bartha: »Die angehenden Sänger*innen sollen nicht nur das gängige Repertoire bewältigen, sondern sich auch in der zeitgenössischen Musik bewähren. Eine große Bandbreite ist heute unabdingbar im Musiktheater.«

Bei Meisterkursen mit Mitgliedern unseres Opernstudios betont sie ihren Schützlingen gegenüber zwei Dinge ganz besonders: »In diesem wunderbaren Beruf, der höchste Anforderungen stellt, sollte man stets hungrig danach sein, etwas Neues kennenzulernen; und man sollte sich eine gewisse Demut bewahren gegenüber den Aufgaben. Wenn es nicht für die ganz große Karriere reicht, muss man auch das akzeptieren können.«

Die Bühne ruft

Zwischenzeitlich war die schwedische Künstlerin auch als Cast-Direktorin tätig: von 2020 bis 2021 beim renommierten Puccini Festival in Torre del Lago. Auch dort konnte sie sich parallel um den Nachwuchs kümmern, indem sie zugleich die Koordination mit der Accademia di Alto perfezionamento für angehende Sänger*innen übernahm. Die 1995 gegründete Akademie ist dem Festival angeschlossen und bietet für die ausgewählten, jungen Talente eine Reihe von Meisterkursen mit prominenten Künstler*innen an; 2021 war darunter auch Renata Scotto.

Mit ihrer eigenen Karriere als Sängerin hatte Clarry Bartha eigentlich schon abgeschlossen. Ein kurzes Gastspiel als Adelaide in Christof Loys Frankfurter Arabella-Inszenierung liegt schon wieder einige Jahre zurück. Da kam Elisabeth Sobotka auf sie zu und bot ihr bei den Bregenzer Festspielen 2022 eine Rolle in Umberto Giordanos selten gespielter Oper Siberia an. Musikalische Leitung: Valentin Uryupin, Regie: Vasily Barkhatov, Bühnenbild: Christian Schmidt – also dasselbe Leitungsteam, das im Dezember 2022 an der Oper Frankfurt Tschaikowskis Oper Die Zauberin so erfolgreich auf die Bühne gebracht hat! An der Seite von Ambur Braid übernahm Clarry Bartha in Siberia die Rolle einer »alten Frau«; derzeit ist diese Produktion an der Oper Bonn zu erleben (bis 9. Juni 2023).

Clarry Bartha: »Die Stimmbänder verändern sich mit der Zeit, wie alles andere am Körper auch. Aber das bedeutet nicht, dass man nicht mehr singen kann. Die Tessitura ist anders, die Stimmlage ist tiefer; aber wenn man über eine gute Technik verfügt, kann man sich ganz neue Rollen erobern. Da gibt es viel zu entdecken.« Wir wünschen der sympathischen Sängerin noch viele Auftritte!

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Text: Konrad Kuhn
Redaktion: Anne-Marie Antwerpen
Szenenfoto Der ferne Klang: Barbara Aumüller
Fotos Abschlusskonzert Meisterkurs: Anne-Marie Antwerpen
17. Mai 2023

NEU IM OPERNSTUDIO: JARRETT PORTER

Seit der Spielzeit 2022/23 ist der US-amerikanische Bariton Mitglied des Opernstudios – und war schon in vielen Rollen zu erleben. Ein Porträt.

Neben Auftritten in der Soiree des Opernstudios und in der beliebten Reihe Intermezzo sowie jüngst im Rahmen von Mainly Mozart auf dem Schiff der Primus-Linie interpretiert der junge Sänger bereits in seinem ersten Jahr im Opernstudio gleich acht Partien im regulären Spielplan – davon vier auf der großen Bühne des Opernhauses: Haushofmeister (Capriccio), Masetto (Don Giovanni), Elviro (Xerxes) und Herzog Hoël (Le vin herbé). Hinzu kommen im Bockenheimer Depot Leone (Tamerlano), gefolgt von Edgar in der Uraufführung von Vito Žurajs Blühen sowie zwei Charaktere im Doppelabend von Benjamin Brittens Kirchenparabeln – Älterer Sohn (The Prodigal Son) und Herold (The Burning Fiery Furnace).

Alle diese Partien sind Rollendebüts, obendrein in vier verschiedenen Sprachen und sehr verschiedenen Stilen. »Das ist ein großes Glück!«, sagt Jarrett – und fügt hinzu: »Was ich mir allerdings immer wieder sagen muss, denn es ist auch wahnsinnig viel zu lernen…«

Learning by doing: ins kalte Wasser springen statt Trockenschwimmen

Während an den Opernstudios anderer Opernhäuser – neben der täglichen Fortbildung in den Bereichen Stimmbildung und Gesangstechnik sowie der Arbeit am Repertoire – häufig kleinere Projekte der Stipendiat*innen im Vordergrund stehen, steigt man in Frankfurt von Anfang an voll ein: Learning by doing, sozusagen. Und das ist der Grund, warum der Bariton sich für die Mainmetropole entschied, obwohl es Angebote von anderen Häusern gab. »Genau das habe ich gebraucht: Gleich ins kalte Wasser springen statt Trockenschwimmen.«

In der Kindheit und Jugend stand der Gesang erst einmal gar nicht im Vordergrund. Jarrett spielt bis heute nicht weniger als vier Instrumente: neben Klavier auch Violoncello, Querflöte und Klarinette. So war der Berufswunsch zunächst Orchestermusiker. Doch viele Mitglieder der großen Orchester haben zugleich eine Professur; das habe ihn nie interessiert. Ein Lehrer in der High School mit Broadway-Erfahrung brachte ihn dann dazu, sich mehr auf seine schöne Stimme zu konzentrieren. So begann der Heranwachsende aus New Jersey mit Gesangsstunden und schaffte die Aufnahmeprüfung an der Eastman Music School der University of Rochester.

Kunstlied und Opernkarriere verbinden, das ist das Ziel

Hier verliebte er sich in das Genre Kunstlied – vor allem das deutsche: »Ich habe mir alle Aufnahmen von Fischer-Dieskau besorgt und sie wieder und wieder gehört.« Als Artist in Residence hatte er zuletzt beim Marlboro Festival 2022 die Gelegenheit, diese Leidenschaft auszuleben. Doch nur als Liedsänger kann man heute kein Berufsleben bestreiten. So entdeckte er die Welt des Musiktheaters – und hat sich zum Ziel gesetzt, die beiden Seiten miteinander zu verbinden. »Ich möchte ein Lied mit derselben dramatischen Energie durchdringen wie eine Opernfigur; umgekehrt möchte ich die Phrasierungskultur beim Lied auch in die Gestaltung meiner Rollen auf der Opernbühne einbringen.«

Die Ausbildung setzte sich fort an der renommierten Juilliard School in New York. Schon währenddessen folgten erste Bühnenerfahrungen, u.a. an der Arizona Opera und in Santa Fe. Eine wichtige Station war das Opera Theater of Saint Louis. Hier bekam er gleich die große Chance, eine Hauptrolle zu singen – und das in einem zeitgenössischen Werk: In der Uraufführung von Tobias Pickers Oper Awakenings übernahm er die Rolle des Neurologen Oliver Sacks, dessen populärwissenschaftliche Bücher (etwa Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte) auch bei uns sehr bekannt sind. Zuvor war er bereits bei den Uraufführungen von Steve Mackeys Moon Tea und Damien Sneeds The Tongue & The Lash aufgetreten. Die zeitgenössische Musik ist ihm nach wie vor ein großes Anliegen.

Umso mehr hat es ihn gefreut, mit Blühen von Vito Žuraj auch an der Oper Frankfurt eine Uraufführung mitgestalten zu können. Dabei hat der gelernte Pianist einen Trick angewendet, um sich die Gesangslinie leichter aneignen zu können: Er hat sich am Klavier eine Begleitung dafür ausgedacht, die näher an tonalen Harmonien war, als es in der Originalpartitur des slowenischen Komponisten der Fall ist. Denn die Oper ist an vielen Stellen sehr melodisch aufgebaut; doch sobald das Ensemble Modern dann in den Endproben dazukam und die komplexe Partitur spielte, war es nicht immer ganz einfach, den richtigen Ton zu finden.

Das Opernstudio ist wie ein Brutkasten

Sein Deutschland-Debüt gab Jarrett Porter bei der Internationalen Meistersinger Akademie in Neumarkt, wo er mit den Nürnberger Symphonikern auftrat. Dort hörte ihn Bernd Loebe und lud ihn zum Vorsingen ein. Dann schlug erst einmal die Pandemie zu; doch während er das letzte Jahr an der Juilliard School absolvierte, hatte er glücklicherweise schon die Zusage für Frankfurt in der Tasche, was ihm half, die lange Durststrecke zu überstehen.

»Was mir in Frankfurt besonders gefällt, ist der Umstand, dass auch im Ensemble viele junge Sänger*innen sind; viele von ihnen haben ebenfalls das Opernstudio durchlaufen. Man bekommt sofort eine Vorstellung davon, wohin der Weg führen könnte.« Dabei gibt es durchaus Unterschiede, wie die einzelnen Mitglieder des Opernstudios mit dem Feedback der verschiedenen Dozent*innen umgehen. Für Jarrett kommt es darauf an, was man daraus macht: »Das Studio ist für mich wie ein Brutkasten. Und wenn man die vielen Hinweise und kritischen Beobachtungen, die man bekommt, dann gleich in der Praxis ausprobieren kann, stärkt das enorm das Selbstvertrauen.«

An der Rampe stehen und singen? Das geht gar nicht!

Die Antwort auf die Frage nach der absoluten Traumrolle kommt schnell: Eugen Onegin. »Ich liebe Tschaikowskis Musik! Aber auch Janáček oder Bartók – zum Beispiel Herzog Blaubarts Burg.« Dass man für dieses Repertoire die Phonetik und Satzmelodie von Russisch, Tschechisch und Ungarisch studieren muss, schreckt ihn nicht ab; im Gegenteil: Sprachen faszinieren ihn. Und was das Zeitgenössische betrifft: George Benjamin ist ein Lieblingskomponist. Einigen Respekt hat der junge Sänger dagegen vor dem Belcanto. Da möchte er im Opernstudio unbedingt weiterkommen; denn die Stimme – früher hätte man vielleicht von einem »Kavaliersbariton« gesprochen – scheint durchaus dafür geschaffen.

Eines findet Jarrett unerträglich: Sänger*innen, die sich auf einer Opernbühne an die Rampe stellen und nichts tun als zu singen. »Das geht gar nicht! Leider lassen sich viel zu viele junge Kolleg*innen von ihren Lehrer*innen einreden, sie müssten bestimmte Bewegungen oder Körperstellungen vermeiden, weil das die Atemkontrolle schwächt etc. Eine solche Haltung kann ich nicht akzeptieren. Gott sei Dank gibt es im Ensemble der Oper Frankfurt keinen Platz dafür.«

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Jarrett Porter ist bis zum Ende der aktuellen Spielzeit in den Wiederaufnahme von Don Giovanni, Xerxes und Le vin herbé zu erleben. Infos und Tickets finden Sie auf unserer Website.

Text: Konrad Kuhn
Redaktion: Anne-Marie Antwerpen
Szenenfotos: Barbara Aumüller
3. Mai 2023

3 FRAGEN AN YI-CHEN LIN

Kurt Weills Der Zar lässt sich fotografieren und Carl Orffs Die Kluge – ein besonderer Doppelabend, der zwei Werke mit viel Humor und Tiefgang sowie einem je eigenen musikalischen Duktus miteinander verbindet. Bei der Premiere am Ostersonntag gab die in Taiwan geborene und in Wien aufgewachsene Dirigentin Yi-Chen Lin ihr Debüt am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters. Wir haben ihr vor der Premiere am 9. April drei Fragen gestellt.

Der Doppelabend kombiniert zwei sehr unterschiedliche Werke, die aber auch eine gewisse Schnittmenge aufweisen. Was verbindet sie?

Die seltene Tatsache, dass bei beiden Opern der Titel am Anfang und am Ende annonciert wird (im Zar durch den Chor gesungen, bei der Klugen vom Bauern, in unserer Produktion vom ganzen Ensemble), gibt dem Zuschauer sofort die Möglichkeit, das Bühnengeschehen à la Brecht mit Abstand zu betrachten. Falls man doch hineingezogen wurde in das Gesehene und Gehörte, wird man dadurch auch wieder herausgezogen. 

Beide Libretti zeugen von höchster Authentizität und Meisterschaft: Das des Zaren entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Dramatiker Georg Kaiser. Die Sprache ist sehr bildhaft und voller Symbolik, sehr oft auch erotischer Natur, was durch die Musik noch unterstrichen wird.

Das Libretto der Klugen stammt von Orff selbst. Typisch sind hier Wiederholungen (manchmal von Sätzen, manchmal von einzelnen Wörtern), wodurch sich die musikalische Struktur buchstäblich »im Kreise dreht«, was Keith Warner brillanterweise auch so in Szene gesetzt hat.

 

Was bedeuten die Unterschiede der Werke für deine Arbeit als Dirigentin?

In ihrer Klangsprache könnten die beiden Stücke nicht unterschiedlicher sein. Bei Orff trifft man auf ein sehr direktes Klangbild: Die Musiknummern werden durch gesprochene Dialoge deutlich unterbrochen und in sich sehr oft wiederholt. Die Partitur ist vertikal zu lesen, die Tonalität ist sehr klar definiert.

Beim Zaren ist das Instrumentarium kleiner – vor allem im Hinblick auf die Schlaginstrumente – und hat zeitweise auch sehr impressionistische Passagen, etwa wenn der Zar von Paris schwärmt. Hier ist die Oper durchkomponiert. Bei Weill trifft man auf ein Geflecht von Harmonien und Polyphonie, man befindet sich auf dem Weg zur Zwölftönigkeit, auch wenn Weill diesen Schritt nie vollzogen hat. Tonal gesprochen, bewegen wir uns mit dieser Opera buffa zwischen Strauss, Mahler und Zemlinsky.

Daraus ergibt sich für mich als Dirigentin die tolle Herausforderung, vor und nach der Pause ganz unterschiedliche Klänge aus dem Orchester herauszukitzeln und eine dramaturgische Differenziertheit zu schaffen. Und es wird in jeder Vorstellung eine spannende Aufgabe sein, auch die komödiantischen Momente aus der vermeintlich so ernsten Musik herauszuarbeiten.

Wie hast du die Probenzeit erlebt?

Die Probenzeit war sehr intensiv und produktiv. Ich bin sehr glücklich, Keith Warner als erfahrenen Regisseur an meiner Seite gehabt zu haben und immer im Austausch gewesen zu sein. Seine Inszenierung kommt aus der Musik, weshalb ich mich an dieser Stelle etwas zurücklehnen konnte, weil ich seine Meinung teile.

Ich hatte viel Spaß in der Arbeit mit einem wunderbaren Ensemble und einem Team großartiger Musiker*innen. Umso mehr freue ich mich darauf, unseren Doppelabend dem Publikum präsentieren zu können. Und ich bin sehr gespannt auf die zusätzliche Dimension, die mit dem Publikum aus dem Zuschauerraum hinzukommt.

 

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Der Doppelabend Der Zar lässt sich fotografieren / Die Kluge läuft bis einschließlich 13. Mai an der Oper Frankfurt.
Die Fragen stellte Mareike Wink.
Redaktion: Anne-Marie Antwerpen

19. April 2023

BRITTENS KIRCHENPARABELN IM BOCKENHEIMER DEPOT

Bereits einige Britten-Opern fanden ihren Weg ins Bockenheimer Depot, darunter Paul Bunyan und A Midsummer Night’s Dream. Warum ausgerechnet Brittens Kirchenparabeln The Prodigal Son / The Burning Fiery Furnace so gut zu diesem außergewöhnlichen Spielort passen und was das mit der Neuausrichtung des Bühnenbilds zu tun hat, verraten Ihnen Bühnenbildner Bernhard Siegl und Regisseur Manuel Schmitt in diesem Artikel.

1986 verschwanden die letzten Straßenbahnschienen

Seit über 35 Jahren wird das Bockenheimer Depot von den Städtischen Bühnen bespielt. Gebaut wurde das Bockenheimer Depot im Jahr 1900. Dort, wo es heute steht, befand sich im 19. Jahrhundert eine aus Holz gefertigte Wagenhalle, die der damaligen Pferdebahn als Betriebshof diente. Nach der Umstellung auf elektrische Straßenbahnen wurde sie durch das bis heute erhaltene Gebäude ersetzt: Eine Kathedrale des Industriezeitalters! Die das Deckengewölbe tragende Holzkonstruktion aus halbkreisförmigen Bogenbindern geht als Form auf den Renaissancearchitekten Philibert Delorme zurück.

Während viele Gebäude in Frankfurt 1944 durch Luftangriffe stark beschädigt wurden, blieb die Haupthalle des Depots weitestgehend unversehrt. Als nach dem Krieg das Verkehrsaufkommen weiter wuchs, wurde die 1900 gebaute Halle für den regulären Betrieb zu klein: Am 6. Februar 1966 wurde die Depotfunktion eingestellt. Als einer der ersten Bauten im Rhein-Main-Gebiet wurde das Depot 1979 zum historischen Industriedenkmal erklärt und unter Schutz gestellt. Nachdem zwischenzeitlich die Sammlung des Frankfurter Feldbahnmuseums im Bockenheimer Depot untergebracht war, wurden 1986 die letzten noch vorhandenen Straßenbahnschienen entfernt.

Auf der Suche nach dem idealen Spielort

Gerade für Benjamin Brittens »Parables for Church Performance« – so die Gattungsbezeichnung, die der Komponist selbst für die drei Werke wählte – erweist sich das Bockenheimer Depot als idealer Ort. Sie entstanden ursprünglich für das von Britten zusammen mit einigen Mitstreitern – darunter sein Partner in Leben und Kunst, der Tenor Peter Pears – 1948 in der ostenglischen Grafschaft Suffolk gegründete Aldeburgh Festival, das bis heute, fast 50 Jahre nach Brittens Tod, jährlich stattfindet.

Immer wieder suchte der Komponist in und um Aldeburgh herum nach neuen Aufführungsorten für das Festival und wurde auch im Nachbarstädtchen Orford, ein paar Meilen den Alde-Fluss abwärts, fündig. In der dortigen Pfarrkirche, die dem Heiligen Bartholomäus geweiht ist, wurde 1964 die erste der drei Kirchenparabeln uraufgeführt: Curlew River. Dieser Einakter kam 2005 ebenfalls im Depot auf die Bühne. Jeweils 1966 und 1968 brachte Britten die anderen beiden Einakter in der Pfarrkirche von Orford zur Uraufführung, die im April 2023 nun als Frankfurter Erstaufführung zur Premiere kamen: The Prodigal Son (Der verlorene Sohn) und The Burning Fiery Furnace (Die Jünglinge im Feuerofen).

Zwischen japanischem Nō-Theater und englischem Mysterienspiel

Regisseur Manuel Schmitt: »Die Form dieser sehr besonderen Werke ist nicht leicht zu umschreiben: Es sind weder Opern noch Oratorien; ich würde auch den rituellen Aspekt nicht zu sehr betonen. Sie sind nicht für eine klassische Guckkastenbühne konzipiert. Im Hintergrund schwingt das japanische Nō-Theater mit, das Britten 1956 auf einer Reise in den fernen Osten kennenlernte. Unser Zugang bewegt sich zwischen Abstraktion, formalisierten Elementen und psychologisch-realistischem Spiel.«

Bühnenbildner Bernhard Siegl ergänzt: »Brittens Parabeln sind für einen Kirchenraum entstanden. Der riesengroße, imposante Raum des Bockenheimer Depots erinnert an die Zeit, als man zunehmend säkularen Entwicklungen huldigte wie der elektrifizierten Straßenbahn als Emblem des Fortschritts. In der Form schwingt auch das mittelalterliche Mysterienspiel mit. Ob in der Kirche oder davor: Es fand außerhalb der christlichen Liturgie statt. Bis heute haben sich Passionsspiele oder das Krippenspiel zu Weihnachten erhalten; für viele Kinder eine erste theatralische Erfahrung, bei der man selbst in eine Rolle schlüpft. Geistliche Spiele fanden vielfach auf einem Marktplatz statt; entweder konnte das Publikum verschiedene Stationen abschreiten oder es versammelte sich auf allen Seiten rund um eine kleine, improvisierte Bühne.«

Für die beiden Kirchenparabeln haben Regisseur und Bühnenbildner das Bockenheimer Depot gegenüber der üblichen Anordnung von Zuschauertribüne und Bühne, wie sie in den letzten Jahren meist zu erleben war, vollständig verwandelt: Sieben Ackerfurchen (bestehend aus 24 Tonnen Lehm) ziehen sich durch die gesamte Länge der Halle. Das Publikum sitzt sich längsseits auf zwei Tribünen gegenüber. Das Orchester – es besteht nur aus neun Musiker*innen – ist auf einer Seite in der Mitte platziert. Dabei entstehen große Distanzen. Eine Herausforderung für Lukas Rommelspacher, der die musikalische Leitung der Neuinszenierung innehat.

Parabel als Versuchsanordnung

Schon in den 1980er Jahren entstanden im Depot legendäre Aufführungen, z.B. von Einar Schleef; für seine Inszenierung von Goethes Götz von Berlichingen baute er einen Steg quer durch die Halle und platzierte das Publikum längsseits an beiden Seiten – ganz ähnlich, wie es jetzt wieder zu erleben ist! In Erinnerung sind manchen vielleicht Abende, bei denen der Choreograf William Forsythe zusammen mit dem Bühnenbildner Michael Simon im Depot neue Wege ging. Auch Gastspiele von Peter Brook, der mit Inszenierungen wie La Tragédie de Carmen (übrigens auch auf einem Lehmboden spielend) und dem indischen Epos Mahabharata immer wieder experimentelle Theaterformen erprobte, fanden hier einen faszinierenden Spielort.

Bernhard Siegl zieht noch eine andere Parallele: »Parabel bedeutet für mich auch, dass es um eine Art Versuchsanordnung geht. Im Deutschen Museum in München gibt es riesige Räume, wo technische Experimente vorgeführt werden. Das Depot erinnert mich zugleich an Ausstellungshallen, wie es sie um die Jahrhundertwende bei verschiedenen Weltausstellungen gab. Eine installative Gestaltung kann sich mit der Kunstform der Performance mischen, die seit den späten 1960er Jahren häufig ebenfalls in ehemaligen Werkshallen oder Industriebauten stattfinden.«

Authentischen Materialien wie Lehm, Wasser, einem Eisblock und rostigen Eisenteilen stehen große Symbole gegenüber, wie eine spiegelnde Sonnenscheibe von fünf Metern Durchmesser. Einzelne Bühnenbild-Elemente deuten eine Art Zeitreise an: vom archaischen Ackerbau über das Glockengießen mit flüssigem Metall bis hin zu einem High Tech-Roboter. Zur Konzeption des Britten-Abends erläutert Manuel Schmitt: »Der Grundgedanke, mit dem wir auf beide Werke zugegangen sind, war das Thema Gerechtigkeit: das Verhältnis von Arbeit und Wohlstand; von wem wird etwas erwirtschaftet und wer konsumiert es? Im Vordergrund steht außerdem der Umgang mit Ressourcen – mit dem, was uns als Schöpfung anvertraut ist. Dieses Thema betont Britten in den beiden Kirchenparabeln. Wasser, Sonnenlicht, saubere Luft, fruchtbarer Erdboden: Das sind die Grundlagen der menschlichen Existenz. Ausgehend vom archaischen Ackerbau begeben wir uns auf eine Reise, die bis hin zu Industrialisierung und High-Tech führt. Nimmt man die Bibel-Texte, auf denen die beiden Stücke basieren, als Versuch, Regeln für das Zusammenleben der Menschen zu bestimmen, werfen sie hochaktuelle Fragen auf: Es geht um Grundwerte, die bis heute relevant sind.«

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Text: Konrad Kuhn / Moritz Noll
Redaktion: Anne-Marie Antwerpen
Fotos: Barbara Aumüller
4. April 2023

NEU IM OPERNSTUDIO: HELENE FELDBAUER

Seit Beginn dieser Spielzeit ist Helene Feldbauer Mitglied unseres Opernstudios. Im folgenden Porträt erzählt die Mezzosopranistin von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof, von Herausforderungen des Sängerinnen-Daseins und der positiven Wirkung des Ensemblespiels.

Wenn Helene Feldbauer an ihre oberösterreichische Heimat denkt, kommt ihr sofort der Geruch von frisch gemähtem Gras in den Sinn. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, verbrachte sie den Großteil ihrer Zeit im Freien. Ihre Mutter hatte dementsprechend alle Hände voll zu tun, Helene und ihre Geschwister abends wieder ins Haus zurückzubeordern. »Ein Nein habe ich nie akzeptiert«, erklärt die Mezzosopranistin keck. Im Alter von zehn Jahren bastelte sie sich etwa heimlich einen Hasenstall und besorgte sich im Nachbarort ein Kaninchen – trotz ausdrücklichen elterlichen Verbotes.

Die Schule empfand Helene zunächst als »Gefängnis«. »Ich wollte frei sein, und mir nicht sagen lassen, was ich zu tun habe. Fast ein bisschen wie Heidi …«, sagt sie lachend. Einen Ort zur kreativen Entfaltung fand sie schließlich in der lokalen Blasmusikkapelle, die eine ausgezeichnete Jugendarbeit betrieb. »Mein Vater war dort Obmann und so war es für mich naheliegend, ein Blasinstrument zu lernen.« Die Wahl fiel auf Klarinette und Oboe und bis heute musiziert sie auf Heimatbesuchen gerne mit ihren alten Weggefährten, von denen gleich mehrere eine professionelle Musikkarriere eingeschlagen haben.

Auch Helene verspürte nach der Matura den Wunsch, die Musik zur ihrem Beruf zu machen. Zunächst bewarb sie sich für ein Schulmusik-Studium mit Hauptfach Klarinette sowie Gesang und Klavier im Nebenfach. »Bei der Aufnahmeprüfung fragten mich die Dozenten, seit wann ich Gesangsunterricht nehme. Ich antwortete wahrheitsgemäß: ›Noch gar nicht.‹ Daraufhin schlugen sie mir vor, Gesang im Hauptfach zu belegen, was ich dann auch tat.«

Ein Sprung ins kalte Wasser, auf den viele weitere folgen sollten. Im Anschluss an das Lehramtsstudium wechselte Helene in die Gesangsklasse von Margit Klaushofer an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst. Schon nach wenigen Wochen gelangte sie wie durch Zufall an ihre erste Opernrolle: »Um Castingerfahrung zu sammeln, sang ich für die Rolle der Larina in Eugen Onegin vor  ̶  und wurde prompt genommen. Womit ich nicht gerechnet hatte: Der Klavierauszug war komplett auf kyrillisch geschrieben …« Helene suchte sich daraufhin einen Sprachcoach, büffelte Russisch und bestand die Feuertaufe im Schönbrunner Schlosstheater.

»Genau diese Situationen machen unseren Beruf aus: Entweder man nimmt die Herausforderung an und kommt weiter, oder man gibt halt auf, was aber nicht meinem Naturell entspricht.«

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Bereits während des Studiums wurde Helene auf das Frankfurter Opernstudio aufmerksam, »aufgrund der exzellenten künstlerischen Qualität«, wie sie sagt. Wie es der Zufall will, hielt Intendant Bernd Loebe an ihrer Universität einen Vortrag im Fach »Karrierementoring« und hörte zudem ein Vorsingen der Studierenden an. Im Anschluss daran fragte er Helene, ob sie schon ein Engagement habe, woraufhin sie antwortete, dass sie sich vor kurzem in Frankfurt beworben habe.

Die Anfangszeit im hiesigen Opernstudio war für Helene zunächst eine deutliche Umstellung: »Im Studium habe ich sehr kontinuierlich mit zwei Dozent*innen gearbeitet. Im Opernstudio haben wir teilweise jede Woche einen anderen Meisterkurs und bekommen dabei unglaublich vielfältigen Input. Das ist einerseits großartig, weil ich wie ein Schwamm ganz viel davon aufsaugen kann; zugleich muss man aber immer auch reflektieren, was gut für einen selbst ist. Denn jeder Körper und jede Stimme funktioniert anders.«

Am leichtesten fällt ihr das Singen, wenn sie mit tollen Kolleg*innen auf der Bühne steht: »Wenn meine Bühnenpartner eine gute Gesangstechnik haben, springen meine Spiegelneuronen an und sofort stimmt auch bei mir einfach alles: Stimmsitz, Atmung, Artikulation.« Eine großartige Erfahrung war für Helene etwa ihr Frankfurt-Debüt als Lehrbube in Wagners Meistersingern.

»Nicholas Brownlee als Hans Sachs war einfach überwältigend:  Seine Stimme ist so raumgreifend, dass man gar nicht weiß, wo sie anfängt und aufhört.«

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In diesem Frühjahr steht Helene nicht nur in Weills Der Zar lässt sich fotografieren, sondern auch als Magd in Elektra auf der Bühne. »Elektra ist für mich nicht nur wegen der enormen Orchestergröße eine neuartige Erfahrung. Im Gegensatz zu den Meistersingern sind wir Frauen diesmal in der Überzahl und besetzen sogar die Männergarderoben! Ich genieße sehr den solidarischen Umgang miteinander. Meine erfahreneren Kolleginnen bieten mir z.B. auch abseits der Proben kleine Coachings an«, schwärmt die Mezzosopranistin.

Zu den Besonderheiten ihres Stimmfaches gehört es, immer wieder auch männliche Charaktere, so genannte »Hosenrollen«, zu verkörpern. Helene stand in der Vergangenheit beispielsweise als Hänsel auf der Bühne und brillierte jüngst bei den Tiroler Festspielen Erl als Graf Orlofsky in der Fledermaus. Das Genre der Operette findet Helene generell sehr spannend  ̶  und maßlos unterschätzt: »In den Operetten der Jahrhundertwende und des frühen 20. Jahrhunderts verbinden sich Entertainment und beißende Zeitkritik auf kongeniale Weise. Leider gerieten durch die Kulturpolitik der Nationalsozialisten viele Werke in Vergessenheit und es entstand das Klischee, Operetten seien ausschließlich seicht und kitschig. Es ist höchste Zeit, das Genre neu zu entdecken und den subversiven, anarchischen Geist darin wieder freizulegen!«

Obwohl sich Helene mittlerweile gut in Frankfurt eingelebt hat, verspürt sie immer noch etwas Heimweh nach Wien: »Die Kaffeehauskultur dort ist fantastisch, und man begegnet manchmal einfach zufällig Persönlichkeiten wie Luca Pisaroni oder Anna Netrebko in der U-Bahn.« An Frankfurt, dem »Big Apple von Europa«, schätzt Helene die urbane Qualität und vor allem die Begeisterung, die unser Opernpublikum dem Ensemble entgegen bringt. Ihren zukünftigen Lebensmittelpunkt sieht die Sängerin aber wieder abseits der Metropolen:

 »Mein Traum ist es, später am Land zu leben und parallel an tollen Häusern zu gastieren. Aber jetzt muss erstmal meine Karriere anlaufen. Und das bedeutet viel Arbeit an meiner Stimme. Denn wer rastet, der rostet!«

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Helene Feldbauer ist bis einschließlich 5. Mai in der Neuinszenierung von Elektra zu sehen. Infos und Tickets finden Sie hier.

Text: Maximilian Enderle
Redaktion: Anne-Marie Antwerpen
Szenenfotos: Monika Rittershaus
Foto Operngala: Barbara Aumüller
Trailer: Thiemo Hehl
25. März 2023

DIE TALENTSCHMIEDE DER OPER FRANKFURT

Wie gelingt der Einstieg in eine Gesangskarriere auf den großen Bühnen der Welt und wie schafft man den Sprung in ein renommiertes Orchester wie das Frankfurter Opern- und Museumsorchester? Eine 6-teilige Video-Reihe der Oper Frankfurt geht diesen Fragen auf den Grund.

Im März 2023 sind die dritte und vierte Folge der Reihe Young Artists at Oper Frankfurt erschienen, bei denen sich dieses Mal alles um das Opernstudio dreht. Wie schon bei den ersten beiden Videos zur Paul-Hindemith-Orchesterakademie, erwarten Sie eine Folge im Stil einer Kurzdokumentation und ein professionell aufgezeichneter Konzertmitschnitt.

Vom Probenraum bis zur Bühne: Das Opernstudio

In der dritten Folge begleiten wir die südafrikanische Sopranistin Nombulelo Yende und die schwedische Sopranistin Karolina Bengtsson bei ihren Vorbereitungen auf die Soiree des Opernstudios, die zwei Mal pro Spielzeit stattfindet. Sie erzählen von ihren unterschiedlichen Wegen in eine der renommiertesten Talentschmieden deutschsprachiger Opernhäuser und berichten von ihren Zukunftsplänen. Ein Highlight sind die Aufnahmen der beiden Sopranistinnen bei einem Meisterkurs mit Neil Shicoff.

Young Musicians at Oper Frankfurt – Das Opernstudio

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Die Soiree des Opernstudios ist ein festes Format an der Oper Frankfurt, bei dem die jungen Sänger*innen des Opernstudios sich mit Auszügen aus ihrem Opern- und Liedrepertoire präsentieren. Die zweite Folge von Young Artists at Oper Frankfurt ist ein Live-Mitschnitt des Konzerts vom Dezember 2022 mit Karolina Bengtsson, Nombulelo Yende, Hyoyoung Kim, Helene Feldbauer, Cláudia Ribas und Jarrett Porter. Erleben Sie einen Konzertabend voller musikalischer Höhepunkte, mit Liedern und Arien von Schubert, Strauss, Britten, Tschaikowski und vielen mehr.

Soiree des Opernstudios – Oper Frankfurt

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Ausblick: Weitere Folgen Ende des Jahres 2023

Weitere Folgen der Video-Reihe sind bereits in Planung. Begleiten Sie die Karriere der jungen Künstler*innen und fiebern Sie mit: Finden die Stipendiat*innen der PHO ein Orchester-Engagement? Werden die Gesangstalente des Opernstudios in ein Ensemble übernommen? Bleiben die jungen Talente vielleicht sogar der Oper Frankfurt erhalten?

Alle Folgen der Serie finden Sie unter diesem Link.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Opernstudio und zur Paul-Hindemith-Orchesterakademie.

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Text: Anne-Marie Antwerpen

15. März 2023

ZU GAST: DIE EINTRACHT FRANKFURT FRAUEN

Vom Stadion von Eintracht Frankfurt zur Oper am Willy-Brandt-Platz sind es nur wenige Kilometer. Trotzdem scheint auf den ersten Blick eingefleischte Fußballfans und Opernbesucher*innen einiges zu trennen. Nicht so bei unserem Intendanten Bernd Loebe, dessen Herz sowohl für die Oper, als auch für den Rasensport schlägt. Um eine Brücke zwischen beiden Welten zu schlagen, sprachen Bernd Loebe, der Aufsichtsratsvorsitzende Philip Holzer und Sportvorstand Markus Krösche eine Einladung in die Oper für die Eintracht Frankfurt Frauen aus.

Am 26. Januar durften wir das Team und weitere Mitarbeiter*innen des Vereins zu einer Vorstellung von Jules Massenets Oper Werther begrüßen. »Fußball und Oper haben vieles gemeinsam«, stellte Bernd Loebe bei seiner kurzen Ansprache fest. »Vieles muss ineinander greifen, damit man siegreich vom Platz geht. Und genau das hat mich bei beidem immer fasziniert.«

Vor Beginn der Vorstellung kamen wir mit den Spielerinnen ins Gespräch. Wie habt ihr euch auf diesen Abend vorbereitet? Ist es euer erster Besuch in der Oper oder habt ihr bereits »Bühnenerfahrung«?

Abwehrspielerin Madeleine Steck verriet uns, dass sie es toll findet, sich für einen Besuch in der Oper schick zu machen, denn für sie ist so ein Abend nichts Alltägliches. Es war zudem nicht ihr erster Opernbesuch: »Ich war auch schon mal mit der Schule in der Oper und damals habe ich nicht so viel verstanden. Es ist echt gut, dass es Übertitel gibt, die man mitlesen kann – ich hatte schon Angst, dass ich auf mein Schulfranzösisch zurückgreifen muss.«

Ihre Kollegin Sophia Kleinherne glaubt, dass die Oper mit einigen Vorurteilen zu kämpfen hat, die gar nicht wirklich zutreffen und geht deshalb ganz offen an diesen Abend heran: »Ich glaube, wenn wir heute hier rausgehen, dann haben wir einen ganz anderen Eindruck von der Oper, als wir vorher hatten.«

Nach der Aufführung suchten wir die Spielerinnen wieder auf und bei dieser Fragerunde war schnell klar: Die Neugierde und das Interesse sind riesig!

Denn mindestens genauso viele Fragen, wie wir den Spielerinnen zuvor gestellt hatten, kamen nun auch wieder zurück. Wie funktioniert das mit den Übertiteln? Wie viele Opern können Sänger*innen auswendig singen? Wie lange im Voraus wird entschieden, was gespielt wird? Haben die Sänger*innen Mikrofone?

Einige erzählen uns, dass sie von der Lautstärke der Sänger*innen und dem Bühnenbild sehr beeindruckt waren, so auch Anna Aehling – auch wenn die Hauptfigur Werther schon ganz schön lange für seinen Bühnentod gebraucht hat. »Es war auf jeden Fall eine Erfahrung wert. Ich selbst und auch alle, die neben mir gesessen haben, fanden es einfach richtig schön.«

Mittelfeldspielerin Tanja Pawollek war sehr beeindruckt, alles aus nächster Nähe zu erleben. »Wir saßen ja ziemlich weit vorne und ich hatte das Gefühl, der Sänger steht einen Meter vor mir,« stellt sie fest. »Selbst wenn die [Sänger*innen] gekniet oder gelegen haben, hatten sie trotzdem so eine Wucht in der Stimme und das hätte ich vorher niemals gedacht, dass so etwas geht.«

Wir haben uns sehr über das rege Interesse und die vielen Fragen gefreut und hoffen, dass wir bei einigen eine neue Leidenschaft wecken oder wieder entfachen konnten. Zum Abschied betont Torhüterin Cara Bösl noch einmal: »Also wir schleimen nicht nur, wir fanden es wirklich toll!«

Hier geht es zum Bericht der Eintracht Frauen zu ihrem Besuch in der Oper Frankfurt.

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Text: Anne-Marie Antwerpen
Redaktion: Laura Salice
Fotos: ©Eintracht Frankfurt  / Carlotta Erler
8. März 2023

3 FRAGEN AN VITO ŽURAJ

Am 22. Januar wurde Vito Žurajs zweite Oper Blühen zu einem Libretto von Händl Klaus im Bockenheimer Depot uraufgeführt. Ein hochsensibles Werk über die Dialektik von Lieben und Sterben, das auf Thomas Manns letzter Erzählung Die Betrogene basiert. Unter der musikalischen Leitung von Michael Wendeberg agieren dabei fünf Solist*innen, ein Vokalensemble und das Ensemble Modern, mit dem der Komponist seit vielen Jahren eng verbunden ist. Wir haben Vito Žuraj drei Fragen gestellt und mit ihm gemeinsam einen Bogen von der ersten Idee bis zur Premiere geschlagen.

Blühen ist deine zweite Oper. Was bedeutet es für dich, eine Oper zu schreiben?

Oper – das ist für mich das aufregendste Aufeinandertreffen von Musik, Bild und Bewegung. Die Gefühle werden potenziert und die Energie aller Mitwirkenden an das Publikum übertragen. Eine Oper zu schreiben, bedeutet für mich konzentriertes Komponieren über eine lange Zeitperiode, mit dem Libretto als Leitfaden. Einen solchen Leitfaden muss man bei Werken ohne Text erst entwickeln. Bei einer Großform sind musikalische Vorarbeiten essenziell: Zuerst im kleinen Format ausprobieren, was man später in einen großen dramatischen Bogen einfügt. Das Blühen-Libretto von Händl Klaus hat mich neben den inhaltlichen Impulsen dazu angeregt, eine besondere zeitliche Proportion der sieben Bilder zu bestimmen und so die darin angelegte Dramaturgie in der Musik fortzusetzen.

Wie hast du den Probenprozess erlebt?

Es war stets eine höchst kreative Arbeitsstimmung. Brigitte Fassbaender arbeitete mit unheimlicher Genauigkeit und Vision, unschlagbarer Kompetenz und sehr motivierend für das gesamte Sängerteam. Die phänomenale Bianca Andrew und mit ihr das gesamte Sängerensemble war trotz aller Herausforderung immer zu Scherzen aufgelegt. Michael Wendeberg leitete die Proben souverän und mit Gefühl, Takeshi Moriuchi und die Repetitorinnen haben die Solist*innen und das Vokalensemble fantastisch vorbereitet. Das Ensemble Modern entwickelte eine spektakuläre Palette an Klangnuancen, mit Spitzengefühl. In den letzten Proben wurde an der Interpretation gefeilt, die Balance zwischen den Sänger*innen und Instrumentalist*innen optimiert, was allen Involvierten eine große Aufmerksamkeit abverlangte.

Wie war die Premiere für dich?

In der Premiere habe ich meine neue Oper zum ersten Mal ohne Probenstress und ohne die Partitur in der Hand erlebt. Die Interpretationskraft von Bianca Andrew in der Hauptrolle ist hinreißend, ich hatte Gänsehaut beim Zuschauen und Zuhören. Ich konnte mich tatsächlich vom Komponisten in einen Zuschauer verwandeln.

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Die Vorstellungen von Blühen laufen noch bis zum 10. Februar 2023.
Die Fragen stellte Mareike Wink.

30. Januar 2023

JUNGE TALENTE IM FOKUS

Wie gelingt der Einstieg in eine Gesangskarriere auf den großen Bühnen der Welt und wie schafft man den Sprung in ein renommiertes Orchester wie das Frankfurter Opern- und Museumsorchester? Eine 6-teilige Video-Reihe der Oper Frankfurt geht diesen Fragen auf den Grund.

Unser Beitrag zum Pilotprojekt OVNG

Das Pilotprojekt OperaVision – Next Generation (OVNG) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Förderprogramme für Nachwuchskünstler*innen mit Videos und Livestreams einem internationalen Publikum zu präsentieren, um dadurch zum ersten Mal der Förderung des künstlerischen Nachwuchses ein großes Schaufenster zu geben. Auch die Oper Frankfurt ist bei diesem Projekt mit der Video-Reihe Young Artists at Oper Frankfurt vertreten: Von 2022 bis 2024 erscheinen insgesamt sechs Videos, die Einblicke in das tägliche Leben der jungen Künstler*innen geben sowie professionell aufgezeichnete Konzertmitschnitte zeigen.

Wir stellen vor: Paul-Hindemith-Orchesterakademie

Im Dezember 2022 sind die ersten beiden Folgen erschienen, in denen sich alles um die Paul-Hindemith-Orchesterakademie (PHO) dreht. In der ersten Doku-Folge zeigen Interviews mit den Stipendiat*innen und den Vorständen den Alltag und die Herausforderungen der jungen Musiker*innen. Erfahren Sie, wie die Stipendiat*innen den Bewerbungsprozess am PHO erlebt haben, was die Zusage für sie bedeutet hat und welche Pläne sie für die Zukunft haben. Erleben Sie außerdem, wie sich die Stipendiat*innen auf das gemeinsame Kammermusik-Konzert vorbereitet haben, das im Juni letzten Jahres in der Oper Frankfurt stattfand.


Young Musicians at Oper Frankfurt – Paul Hindemith Orchestra Academy

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In der zweiten Folge können Sie sich das besagte Kammermusik-Konzert der Künstler*innen in Gänze als Stream anschauen: ein kurzweiliges und hochkarätiges Klangerlebnis mit Werken von Mendelssohn, Rota, McKee und Mozart.


Kammermusik mit der Paul-Hindemith-Orchesterakademie – Oper Frankfurt

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Ausblick: Zwei Folgen zum Opernstudio

Im März 2023 erscheinen zwei Folgen, die sich dem Frankfurter Opernstudio widmen: Die südafrikanische Sopranistin Nombulelo Yende und die schwedische Sopranistin Karolina Bengtsson erzählen von ihren unterschiedlichen Wegen in eine der renommiertesten Talentschmieden deutschsprachiger Opernhäuser.

Ein Highlight sind die Aufnahmen der beiden Sopranistinnen bei einem Meisterkurs mit Neil Shicoff, außerdem begleiten wir sie bei kleinen und großen Auftritten und bei Rollendebüts auf der großen Bühne. Die beliebte Soiree des Opernstudios, die im November 2022 in der Oper Frankfurt stattfand, wird in einer weiteren Folge als Stream zu sehen sein.

Mehr Folgen sind bereits in Planung. Begleiten Sie die Karriere der jungen Künstler*innen und fiebern Sie mit: Finden die Stipendiat*innen der PHO ein Orchester-Engagement? Werden die Gesangstalente des Opernstudios in ein Ensemble übernommen? Bleiben die jungen Talente vielleicht sogar der Oper Frankfurt erhalten?

Alle Folgen der Serie finden Sie unter diesem Link.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Opernstudio und zur Paul-Hindemith-Orchesterakademie.

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Text: Linda Herrmann, Anne-Marie Antwerpen
11. Januar 2023

DIE 22. OPERNGALA AN DER OPER FRANKFURT

ENDLICH WIEDER OPERNGALA

Fast 800 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur kamen zur feierlichen 22. Operngala des Patronatsvereins und der Oper Frankfurt. Die diesjährige Fundraisingaktion erbrachte 750.000 Euro.

Eröffnet wurde der Abend vom neuen hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein. »Gerade in diesen Zeiten mit vielen globalen Herausforderungen und Unsicherheiten kann eine lebendige Kultur einen wertvollen Bezugsrahmen schaffen«, schrieb Herr Rhein am nächsten Tag in den sozialen Medien. »Für die Musik gilt das ganz besonders: Sie kann eine universelle Sprache sein, die Menschen auf der ganzen Welt verstehen. Kurz gesagt: Musik verbindet.«

OPERNKLASSIKER UND GLITZERREGEN

Die Gäste wurden zunächst musikalisch verwöhnt: Beim Konzert mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester, geleitet von Sebastian Weigle, standen Opernklassiker von Wagner, Bizet und Puccini auf dem Programm. Verstärkung bekam das Orchester unter anderem von Star-Sopranistin Asmik Grigorian, die das Publikum ebenso begeisterte wie der Operalia-Preisträger und international gefragte Tenor Stefan Pop sowie unsere Ensemblemitglieder, unser »Chor des Jahres« und der Kinderchor.

Schneller als jeder Kostümwechsel wurde die große Bühne anschließend vom Konzert- in ein Dinner-Setting verwandelt. Die große Drehbühne schwang einmal herum und schon konnte das Publikum sich am Anblick der festlich gedeckten Tische erfreuen. Nach dem traditionellen Dinner wurden die Gäste noch einmal auf die Gesangsprobe gestellt. Beim Abschlusslied Funiculì, Funiculà animierte Stefan Pop – auf einer blumengeschmückten Schaukel schwebend – gemeinsam mit Chorleiter Tilman Michael die Gäste zum Mitsingen. Den feierlichen Abschluss des offiziellen Teils läutete dabei der Glitzerregen ein, der die Bühne in ein ein helles Funkeln tauchte.

IMPRESSIONEN

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9. Dezember 2022

NEU IM OPERNSTUDIO: CLARA KIM

Seit der Spielzeit 2022/23 ist Clara Kim Mitglied im Opernstudio der Oper Frankfurt und begeisterte das Publikum direkt als Pamina in Mozarts Zauberflöte. Im Folgenden erzählt die Sopranistin von prägenden Gesangslehrerinnen, hilfreichen Tricks gegen Schaffenskrisen und der großen Freiheit, die sie auf der Opernbühne empfindet.

Seoul, New York, London, Frankfurt – große Städte scheinen sich wie ein roter Faden durch Clara Kims Biografie zu ziehen. Aufgewachsen ist die junge Sopranistin in der südkoreanischen Hauptstadt, bei der sie durchaus einige Parallelen zur hiesigen Mainmetropole erkennt: »Durch beide Städte fließt ein großer, breiter Fluss, an dem sich im Sommer das Leben tummelt, und hier wie dort gibt es zahlreiche Hochhäuser«, so die Sängerin.

Mitten in Seoul befand sich die Wohnung ihrer Eltern, wo Clara schon als Kleinkind ihre Liebe zur Musik entdeckte. »Kurz bevor meine Mutter mit mir schwanger wurde, hatte sie ihren Job in der Finanzbranche aufgegeben und ein Gesangsstudium begonnen. Als ich auf die Welt kam, war sie völlig verrückt nach Opern!« Für eine Bühnenkarriere war es da schon zu spät, doch wurde ihre Mutter zu einer passionierten Lehrerin, wovon auch Clara profitierte: »Sie war von Beginn an mein Coach, und diese Erfahrungen bilden bis heute die Basis meiner Gesangstechnik.« Ihr Vater, der »Opern liebt, aber beim Singen keinen Ton trifft«, ertrug es mit Geduld, dass Ehefrau und Tochter stundenlang Aufnahmen von Callas und Co. hörten und dabei mitsangen.

Bereits als Jugendliche nahm Clara an zahlreichen Gesangswettbewerben teil, zunächst noch vorwiegend mit Konzertrepertoire. Während des Gesangsstudiums in Seoul folgte mit Donna Anna in Don Giovanni ihre erste große Opernrolle – eine neue, beglückende Erfahrung:

»Vor Konzertauftritten war ich meistens recht nervös, aber auf der Opernbühne empfand ich plötzlich viel weniger Stress. Schon die Probenarbeit inspirierte mich enorm, und das Miteinander mit meinen Kolleg*innen verlieh mir eine ungeahnte Freiheit.«

ÜBER DEN GROSSEN TEICH

Der Traum einer Opernkarriere führte Clara schließlich nach New York, wo sie an der Juilliard School einen Master absolvierte. »Das erste Jahr dort war wahrscheinlich das anstrengendste und lehrreichste meines Lebens. Ich bekam erstmals richtigen Schauspielunterricht und wurde dadurch auf der Bühne viel flexibler. Während der zwei Jahre in New York fand ich zunehmend zu meiner künstlerischen Identität als Solistin.«

Eine wichtige Partnerin war dabei die berühmte kanadische Sopranistin Edith Wiens. »Der Gesangsunterricht bei Edith hob meine Technik nochmals auf ein ganz neues Niveau«, schwärmt Clara. Ein Grund dafür lag in einer speziellen, außergewöhnlich nachhaltigen Methode: Edith Wiens bat sie, zwei verschiedene Notizbücher zu führen – ein »Technikbuch« und ein »Musikbuch«. Bis heute zieht Clara diese immer wieder zu Rate, wenn es knifflig wird: »Während einer Probenphase passiert es manchmal, dass bestimmte Stellen immer schlechter werden. Es entwickelt sich eine Abwärtsspirale, und man weiß nicht genau, woran es liegt. In solchen Fällen schaue ich in meinem Technikbuch nach und finde dort meist die passende Übung, um meine Probleme zu lösen – sei es, dass ich mir beim Singen einen Bleistift unter die Zunge lege, oder mir einfach den Kiefer massiere.«

Im »Musikbuch« wiederum finden sich zahlreiche Anmerkungen zur musikalischen Gestaltung. Diese helfen Clara dabei, einzelnen Phrasen jeweils die richtige Klangfarbe und Emotion zu verleihen:

»Es gibt einige grundlegende Gefühle, die in verschiedenen Stücken wiederkehren: Man ist glücklich, verrückt, traurig, wütend, enttäuscht, frustriert … Wenn ich an einer Arie arbeite, schreibe ich mir bei jeder Phrase die dazugehörige Emotion in die Noten. Mein Ziel ist es, die Musik immer wieder neu mit Herz und Leben zu füllen.«

BÜHNENERFAHRUNG ALS GRUNDSTEIN

Intendant Bernd Loebe versuchte die Sopranistin bereits im Sommer 2021 ins Frankfurter Opernstudio zu engagieren, doch wollte Clara zuvor noch mehr Bühnenerfahrung sammeln. Sie entschied sich für ein einjähriges Künstlerdiplom am renommierten Royal Kings College in London, wodurch sie »nochmals eine ganz neue Sicherheit als Darstellerin gewann«.

In London stand Clara unter anderem als Pamina in der Zauberflöte auf der Bühne. Wie sehr sie diese Rolle durchdrungen hat, konnte sie Anfang dieser Spielzeit bei ihrem bejubelten Debüt an der Oper Frankfurt beweisen. Die Arbeit mit Regisseur Ted Huffman an Mozarts meistgespielter Oper empfand sie als eine große Bereicherung  ̶  gerade auch auf schauspielerischer Ebene:  

»Ted geht es nicht um Äußerlichkeiten, sondern um die inneren Prozesse von uns Darsteller*innen. Mir wurde bewusst, dass man auch mit kleinen Gesten sehr viel Emotion transportieren kann. Dadurch entsteht eine unglaublich hohe Konzentration, die das Publikum ins Bühnengeschehen hineinzieht, aber auch Platz zum Nachdenken und Fantasieren lässt.«

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EINE SPIELZEIT VOLLER HIGHLGHTS

Dass ihre erste Partie an der Oper Frankfurt gleich eine Hauptrolle in der Eröffnungspremiere war, empfand Clara nicht als Druck, sondern als »pures Glück« – nicht zuletzt, weil sie während der Proben viel Unterstützung von den anderen Ensemblemitgliedern bekam. Dennoch genießt sie es auch, als Taumännchen in der Wiederaufnahme von Hänsel und Gretel etwas weniger im Fokus zu stehen, wenngleich die Partie stimmlich ebenfalls sehr herausfordernd ist. Bei all der intensiven Probenarbeit blieb bislang noch nicht viel Zeit, um Frankfurt als Stadt kennenzulernen. Und so kam auch ihr größtes Hobby etwas zu kurz: das Tanzen. Als Kind betrieb Clara professionell Eiskunstlauf und besuchte zahlreiche Ballett- und Modern-Dance-Kurse. Die dabei erlernten Fähigkeiten macht sie sich nun als Sängerin zunutze: »Tanzen hilft sehr beim Singen, weshalb ich vor jeder Aufführung neben Dehnübungen immer auch ein paar Tanzbewegungen mache. Das lockert die Muskeln, baut Stress ab und ist sehr gut für die Stimme.«

Eine gewisse Lockerheit kann sie in den kommenden Wochen sicherlich gut gebrauchen. Nachdem Clara jüngst bei der Soiree des Opernstudios mit Arien von Bellini und Rimski-Korsakow glänzte, steht im Dezember ein sehr besonderes Projekt an: Gemeinsam mit Ensemblekollege Peter Marsh ist sie in der Oper to go mit dem Titel Chagalls Farbenspiel zu erleben, die nicht nur im Holzfoyer, sondern auch zweimal im Rahmen der Chagall-Ausstellung in der Frankfurter Schirn zu sehen sein wird. Und wie immer ist Clara natürlich voller Vorfreude darauf, denn – wie sie schmunzelnd sagt:

 »Ich liebe meinen Beruf, manchmal vielleicht sogar zu sehr.« 

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Text: Maximilian Enderle
Redaktion: Anne-Marie Antwerpen
Szenenfotos: Barbara Aumüller
Trailer: Thiemo Hehl
25. November 2022

 

HINTER DEN KULISSEN: 3 NEUE AUSZUBILDENDE IN DER MASSSCHNEIDEREI

Aktuell sind wieder einige Ausbildungsplätze an den Städtischen Bühnen ausgeschrieben, darunter Maskenbilder*innen, Fachkräfte für Veranstaltungstechnik, Tischler*innen und Maßschneider*innen. Was liegt da näher, als die neusten Zugänge an den Städtischen Bühnen vorzustellen?

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Lehrwerkstatt für Maßschneider im Fachbereich Herren – genauer gesagt auf Loris Raber, Luis Büschl und Benjamin Rose, drei Auszubildende, die im September 2022 ihre Ausbildung an den Städtischen Bühnen begonnen haben.

 

LEHRWERKSTATT FÜR MASSSCHNEIDEREI SEIT 1983

Für Markus Maas, den Direktor des Kostümwesens, sind Auszubildende nicht nur wichtig für das Handwerk, sondern auch für die Zukunft der Städtischen Bühnen.

»In unserer Lehrwerkstatt für Maßschneider im Fachbereich Herren bilden wir seit 1983 aus. Und das immer wieder mit großem Erfolg«, erzählt Markus Maas. »Unsere Lehrmeisterinnen und Lehrmeister haben schon mehrmals Kammersieger, Landessieger und Bundessieger ausgebildet. Damals, beginnend mit zwei Lehrlingen ist unsere Lehrwerkstatt mittlerweile auf sechs junge Menschen angewachsen. Benjamin, Loris und Luis bringen großes Engagement mit und freuen sich schon sehr auf die drei Jahre im Kostümwesen der Städtischen Bühnen Frankfurt.«

Was genau die Lerninhalte sind, hat uns Franziska Lauer, die Leiterin der Lehrwerkstatt, verraten: »In der Lehrwerkstatt lernen die Auszubildenden das klassische Maßschneiderhandwerk von der Pike auf«, erzählt Franziska Lauer, Leiterin der Lehrwerkstatt. »In der Ausbildung wird die ganz traditionelle Herrenverarbeitung gelehrt, also die Fertigung der klassische Hose, Weste und des Sakkos. Diese Verarbeitung und Techniken sind Grundlage für alle anderen, außergewöhnlicheren und besonderen Kostüme und Anfertigungen, die in den Kostümwerkstätten gefertigt werden.«

Franziska Lauer hat selbst die Ausbildung an den Städtischen Bühnen absolviert. Daher kennt sie auch die großen Vorteile der Auskoppelung der Lehrwerkstatt aus dem Produktionsbetrieb: »Außerdem haben die Auszubildenden das Glück, nicht nebenbei, während stressigen Produktionen zu lernen, sondern können sich in der Lehrwerkstatt voll und ganz den Ausbildungsinhalten widmen, die von der Handwerkskammer zur Ablegung der Gesellenprüfung nach drei Jahren gefordert werden.«

 

DIE AZUBIS IM INTERVIEW

Im Gespräch mit den drei neuen Azubis haben wir festgestellt, dass sie zwar ganz unterschiedliche Wege ins Handwerk geführt haben, aber sie alle eins gemeinsam haben: eine riesige Begeisterung für die Bühne und Mode!

Wenn du nicht die Ausbildung zum Maßschneider machen würdest, dann …?

Loris Raber: … würde ich Modedesign studieren und ein weiteres Label gründen!

Benjamin Rose: … würde ich wahrscheinlich noch weiter Medizin studieren und hätte das Studium nicht aufgegeben.

Luis Büschl: … wäre ich wahrscheinlich im Urlaub oder hätte ein Studium im Bereich Modedesign angefangen.

Warum hast du dich damals für die Städtischen Bühnen für deine Ausbildung entschieden?

Loris R.: Ich habe mich für die Städtischen Bühnen entschieden wegen des guten Rufs und des Ansehens der Bühnen im Bereich der Schneiderei. Ich komme aus Saarbrücken und dort im Staatstheater arbeitet eine Bekannte von mir, die Maßschneiderin ist. Sie hat mir damals geraten, mich in Frankfurt zu bewerben, weil das eines der besten Theater für diese Ausbildung wäre. Dann habe ich mich einfach beworben und mein Glück versucht.

Luis B.: Das Theater als Arbeitsplatz finde ich unglaublich interessant. Eine Ausbildung am größten Theater Frankfurts habe ich mir spannender vorgestellt als eine Ausbildung in einem privaten Bereich. Im privaten Betrieb, da arbeitet man sehr spezifisch für Kunden. In den Werkstätten am Theater arbeiten wir Tür an Tür mit anderen Handwerken und das finde ich so außergewöhnlich.

Benjamin R.: Mich fasziniert die Wirkung von Kleidung! Es heißt immer Kleider machen Leute – und ja klar gibt die Gewandung darüber Aufschluss, ob man vor einem Bettler oder König, einem Mörder oder Heiligen steht. Doch das ist mir nicht genug: Besonders auf der Bühne kann Kleidung noch so viel mehr … Sie kann sich in das Bühnenbild einschmiegen, harmonieren und verwandeln, herausstechen, Freundschaften und Feindschaften verdeutlichen. Daher kam für mich nur die Oper in Frage.

Was schätzt du an deinem Team und den anderen Auszubildenden?

Luis B.: Wirklich jede*r, den oder die ich bisher getroffen habe am Theater, ist freundlich und hilfsbereit. Erfahrenere Azubis helfen einem gerne bei Fragen oder Verständnisproblemen. Letztens hat mir meine Kollegin Constanze geholfen, als ich beim Nähen einer Hosentasche einfach nicht weiter kam. Sie hat mir dann gezeigt, wie ich den Stoff legen kann, damit man die Tasche einfacher verstürzen kann.

Loris R.: Meine Mit-Azubis sind sehr nett und humorvoll! Es war sehr interessant, sie alle kennenzulernen und ich freue mich schon auf die nächsten zwei Jahre mit ihnen.

Benjamin R.: Wir sind ein bunter Haufen und jede*r bringt eine eigene Geschichte, Interessen und Eigenheiten mit. Aber genau das macht unser Miteinander so wunderbar. Wir können zusammen lachen, über die neuesten Instagram-Näh-Hacks diskutieren und unsere Erfolge feiern. Man merkt deutlich, dass wir nicht nur große Freude an unserer Arbeit, sondern auch am Miteinander haben.

Was hat dich an den Städtischen Bühnen oder deiner Ausbildung bisher am meisten überrascht? Oder mit welchem Klischee konntest du aufräumen?

Benjamin R.: Wir sind ja erst seit September mit dabei und haben vieles noch nicht kennengelernt. Ich mag Karo-Muster, habe mich aber privat noch nicht an die Verarbeitung getraut. Das konnte ich hier ändern, denn in der Ausbildung bekommt man Tipps, Tricks und super Feedback. Ein wunderbares Umfeld in dem wir arbeiten und lernen dürfen.

Luis B.: Ich bin stolz darauf, nach nur zwei Monaten der Ausbildung ein Hemd nähen zu können. Für private Nähvorhaben wird das sicher auch cool sein.

Loris R.: Mir gibt die Ausbildung wieder mehr Alltagsroutine. Ich hab’s zum Beispiel geschafft, fast jeden Tag wieder zum Sport zu gehen – da bin ich schon stolz drauf.

Und jetzt mal ganz im Detail: Welcher ist dein liebster Nähstich und warum?

Luis B.: Rückstiche per Hand nähe ich am liebsten, speziell das Durchpunkten. Bei diesem Stich entstehen anstatt der typischen Striche sehr schöne Punkte als Naht. Den Stich kannte ich vorher noch nicht und ich finde den einfach schön und er macht mir Spaß.

Benjamin R.: Der Doppelsteppstich, weil er so vielseitig einsetzbar ist und von uns häufig genutzt wird. Aber das Staffieren macht mir am meisten Spaß.

Loris R.: Ich habe keine Präferenzen – aber ich habe welche, die ich gar nicht gerne mache, wie zum Beispiel Staffieren. Da muss man extrem genau arbeiten und ich brauche noch etwas Übung. Leider kenne ich noch keinen Stich, mit dem ich das Staffieren ersetzen kann – aber ich bin ja noch am Anfang und lerne hoffentlich bald einen Ersatz dafür.

Was die Welt über den Beruf des/der Maßschneider*in unbedingt wissen sollte:

Luis B.: Der Beruf erfordert eine Menge Geduld und den Anspruch an Präzision. Perfektionismus kann Fluch aber auch Segen sein!

Loris R.: Auch als Maßschneider müssen wir früh aufstehen. Wir sind meistens um 7 Uhr in der Werkstatt, das ist schon manchmal eine Herausforderung. Aber dafür haben wir auch schon am frühen Nachmittag Feierabend.

 

BEWIRB DICH JETZT ALS MASSSCHNEIDER*IN (M/W/D)

Man muss nicht schon perfekt schneidern können, um sich für die Ausbildung zu bewerben – wenn du mode- und kostümbegeistert bist, gerne mit Stoffen und Materialen umgehst sowie handwerklich geschickt und geduldig bist, dann ist die Ausbildung zum/zur Maßschneider*in Fachrichtung Herren genau das Richtige für dich. In der Ausbildung zum/zur Maßschneider*in Fachrichtung Herren erlernst du die anspruchsvolle, klassische und traditionelle Verarbeitung von Hosen, Westen, Sakkos und Anzügen.

Anforderungen für die Ausbildung Maßschneider*in, Fachrichtung Herren (m/w/d):

• Guter Hauptschulabschluss, Mittlere Reife, Fachhochschulreife oder Abitur
• Handwerkliches Geschick und räumliches Vorstellungsvermögen
Konzentrationsfähigkeit und Geduld für exaktes Arbeiten
Engagement, Ausdauer und Belastbarkeit
Teamfähigkeit
Praktische Vorkenntnisse, z.B. durch Praktika, sind von Vorteil

Neben den aktuell ausgeschriebenen Ausbildungsplätzen (Bewerbungsschluss 30. November 2022), sind weitere Stellen in den Abteilungen Intendanz, Kostüm, Bühnentechnik und Dramaturgie zu besetzten.

Unter diesem Link kannst du dich über alle aktuellen Jobangebote an der Oper Frankfurt informieren.

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Text & Fotos: Anne-Marie Antwerpen
Interviewpartner*innen: Luis Büschl, Franziska Lauer, Markus Maas, Loris Raber und Benjamin Rose
17. November 2022