NEU IM ENSEMBLE: KELSEY LAURITANO

IMMER IN BALANCE

 

Den Wunsch, auf der Bühne zu stehen, verspürte Kelsey Lauritano eigentlich schon immer. Eine Karriere als Opernsängerin konnte sie sich lange Zeit aber nicht vorstellen. Warum die japanisch-amerikanische Mezzosopranistin dennoch im Ensemble der Oper Frankfurt gelandet ist, von wem sie ihr schauspielerisches Talent geerbt hat und was sie in den Monaten des Lockdowns gelernt hat, erfahren Sie im folgenden Porträt. 

 

FRÜHER TRAUM VOM BROADWAY

Während ihrer Schulzeit hatte Kelsey ein klares Ziel vor Augen: Sie wollte Musicaldarstellerin werden. Auf ihrer High School in San Francisco erhielt sie eine intensive Gesangsausbildung und legte Woche für Woche Extraschichten im dortigen Tanzstudio ein. Mit 13 Jahren begann sie, regelmäßig an Castings am New Yorker Broadway teilzunehmen: »Ich bekam dort immer wieder dieselbe Rückmeldung: Ich sei sehr talentiert, aber meine Stimme klinge älter als ich aussehe. Genau das Gegenteil von einer idealen Musicalsängerin.«

Kelsey ließ sich jedoch nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Ihre Familie unterstützte sie dabei: »Meine Mutter erfüllt nicht das Klischee einer strengen asiatischen ›Tiger Mom‹. Sie hat mich nicht verwöhnt, aber stets gefördert und alles daran gesetzt, dass ich mich verwirklichen kann.« Nach der High School bewarb sich Kelsey an der New Yorker Juilliard School  ̶  eines der renommiertesten Konservatorien für klassischen Gesang in den USA. Und zu ihrer großen Überraschung bestand sie auf Anhieb die Aufnahmeprüfung … Im Studium wollte Kelsey die bestmögliche Gesangstechnik erlernen, um später für die großen Rollen am Broadway gewappnet zu sein. Doch es kam anders: Während des zweiten Studienjahrs interpretierte sie Aaron Coplands Liederzyklus Twelve Poems of Emily Dickinson  ̶  ein Schlüsselerlebnis für die Künstlerin: 

 

»In Coplands Zyklus stieß ich auf viele kleine Geschichten, die ich unbedingt erzählen wollte. Mir wurde bewusst, dass man mit Kunstliedern eine sehr kostbare, intime Situation auf der Bühne herstellen kann. Dadurch entdeckte ich plötzlich auch in der Oper ein ungeahntes künstlerisches Potenzial.«

 

 

 

FACETTENREICHE CHARAKTERE

Nach einem Auftritt bei der Internationalen Meistersinger-Akademie in Neumarkt bot Intendant Bernd Loebe der Mezzosopranistin einen Platz im Frankfurter Opernstudio an. Eine Chance, die sich Kelsey nicht entgehen lassen wollte … Von der Wärme des Publikums in Deutschland war die Sängerin sofort begeistert: »Die Zuschauer*innen an den New Yorker Opernhäusern wirkten auf mich eher distanziert und elitär. In Frankfurt hingegen werden wir Künstler*innen bedingungslos unterstützt und geliebt.« Kelsey schätzt die intensive Probenarbeit an der Oper Frankfurt, die es den Darsteller*innen ermöglicht, ihre Rollen genau zu durchdringen und auf der Bühne eine besondere Chemie miteinander zu entwickeln. 

Ihre Leidenschaft für das Schauspiel hat Kelsey möglicherweise von ihrem Ur-Großvater geerbt: Dieser war Anfang des 20. Jahrhunderts von Japan nach Hollywood emigriert, wo er in zahlreichen Schwarz-Weiß-Filmen meist als »chinesischer Bösewicht« zu sehen war. Kelseys Rollenspektrum an der Oper Frankfurt ist weitaus vielfältiger: Allein in der Spielzeit 2020/21 stand sie  ̶  mittlerweile als Ensemblemitglied  ̶  in vier Produktionen auf der Bühne. Darunter auch bei dem Tschaikowski-Abend Nur wer die Sehnsucht kennt, der für sie eine »extreme Herausforderung« darstellte: Erstmals sang sie in russischer Sprache und verkörperte die »bislang düsterste Figur« ihrer Karriere. 

Ein geplanter Auftritt mit ihrer Lieblingspartie Cherubino in Mozarts Le nozze di Figaro musste leider abgesagt werden  ̶  zu Kelseys großem Bedauern, denn »es macht einfach großen Spaß, Cherubino zu spielen! Er ist ein charmanter Junge, der alles durcheinander wirbelt, dabei aber eine verletzliche Seite hat.« Gerade diese Mischung aus Humor und Melancholie schätzt die Sängerin an Opernfiguren besonders: 

 

»Ich verwachse auf der Bühne eng mit meinen Charakteren. Daher können Rollen, die ausschließlich dramatische Zustände durchleben, sehr belastend für mich sein. Wenn ich das Publikum hingegen auch zum Lachen bringen kann, gehe ich nach der Vorstellung mit einem Lächeln aus dem Theater.«

 

 

 

»ALWAYS KEEP GOING«

Die richtige Balance sucht Kelsey auch in ihrem Privatleben. An Frankfurt mag sie die Mischung aus Kultur und Nähe zur Natur, was sie an ihre Heimatstadt San Francisco erinnert. Generell sieht sie sich als einen eher häuslichen Menschen: »Ich liebe es, lange zu schlafen und mich nach anstrengenden Tagen früh ins Bett zu legen.« Auch während des Lockdowns ließ sich Kelsey nicht aus der Ruhe bringen: Sie lernte zu stricken und bereitete sich auf eine Ausbildung zur Yogalehrerin vor  ̶  ihr Plan B, falls die Theater längerfristig geschlossen bleiben sollten. Ob dieser Pragmatismus typisch amerikanisch ist? 

 

»Vielleicht eher typisch für meine Generation: Ich bin sehr ehrgeizig und weiß, wie schwer es ist, mit Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen  ̶  gerade in wirtschaftlich so turbulenten Zeiten. Ich mache mir keine falschen Illusionen, sondern überlege immer, was der nächste Schritt für mich sein kann. I always keep going.«  

 

Nun rückt die Öffnung der Theater wieder näher und Kelseys Ausbildung zur Yogalehrerin liegt vorerst auf Eis. Für die Zukunft hofft die Mezzosopranistin auf spannende neue Partien: Gerne würde sie öfters in Barockpartien auftreten  ̶  so zum Beispiel als Purcells Dido, deren berühmtes Lamento sie zuletzt bei einer Soiree des Opernstudios präsentierte. Und nachdem sie in den USA bereits mehrfach an Uraufführungen beteiligt war, haben auch zeitgenössische Kompositionen ihre Neugier geweckt: »Mich reizt die Herausforderung, unbekannte Werke zu entdecken und nicht nur das zu singen, was man schon oft gehört hat.«

 

Und die Liebe zum Musical? »Die ist irgendwann erloschen. Ich tue mich zunehmend schwer damit.«

 

Dass in Kelsey aber auch Qualitäten eines Popstars stecken, bewies sie beim Online-Adventskalender der Oper Frankfurt im vergangenen Winter. Begleitet von Mitgliedern des Frankfurter Ensembles sowie des Opern- und Museumsorchesters sang sie Julie Golds From a Distance ein. »Ich war überrascht, wie viele positive Rückmeldungen wir für das Video bekommen haben. Es wurde zu einem kleinen Social-Media-Hit.« Aber trotz dieses Erfolges im digitalen Raum zieht es Kelsey nun wieder zurück auf die große Bühne im Opernhaus!

 

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Text: Maximilian Enderle

30. Mai 2021

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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