IM ENSEMBLE: ANTHONY ROBIN SCHNEIDER

SÄNGER, BÄCKER, EUROPÄER

 

»Österreichisch-neuseeländischer Bass« steht in Anthony Robin Schneiders Künstlerbiografie. Im Gespräch mit dem jungen Sänger, der seit der Spielzeit 2019/20 im Frankfurter Ensemble singt, hat man das Gefühl, dass es eigentlich »europäischer Bass« heißen müsste. Denn auf die Frage, welchem Teil seiner Wurzeln er sich verbundener fühlt, antwortet Anthony sehr direkt:

 

»Ich fühle mich mehr als Europäer.«

 

WENN MAN MEHRERE MUTTERSPRACHEN HAT

Geboren in Österreich als Kind einer neuseeländischen Cellistin und eines österreichischen Kontrabassisten, zog Anthony mit seiner Familie nach Frankreich, als er neun Jahre alt war. Den Schulabschluss machte er in England.

Kann man da eine einzige Muttersprache haben? Mit Anthonys Vater wurde zuhause Deutsch gesprochen, mit seiner Mutter Englisch. Und weil man ihm und seinem Bruder in Frankreich sagte, dass es unhöflich sei, Deutsch zu sprechen, da sie von niemandem sonst verstanden würden, haben die Brüder begonnen, Französisch miteinander zu reden, was sie bis heute tun.

Die Schule hinter sich gebracht, wollte Anthony seiner neuseeländischen Seite auf den Grund gehen: »Also bin ich zum Studium nach Neuseeland gezogen. Dort habe ich gemerkt, dass ich gar nicht so sehr Neuseeländer bin wie ich dachte. Es sind so viele kulturelle Kleinigkeiten, die sich gar nicht immer genau benennen lassen, aber die den Unterschied ausmachen.« Nach seinem Bachelorstudium an der University of Auckland ging Anthony aber erst einmal in die USA, um dort seine Gesangsausbildung an der Academy of Vocal Arts in Philadelphia und schließlich im Houston Grand Opera Studio fortzusetzen.

 

RAMPENSAU? ABER HALLO!

Als Kind zweier Musiker ist Anthony mit Musik aufgewachsen. Als 8-Jähriger hat Anthony begonnen, Klavierunterricht zu nehmen, hat auch Cello- und Orgelspielen gelernt und parallel dazu im Kirchenchor gesungen. »Ich hatte einen tollen Gesangslehrer, der meinte: Ich höre immer mehr unterschiedliche Farben in deiner Stimme. Vielleicht könntest du das Singen ausprobieren.« Nach dem Einstieg ins Bachelorstudium mit Klavier im Hauptfach und Gesang im Nebenfach tauschte Anthony nach ein paar Jahren den Schwerpunkt und stieg dann komplett auf Gesang um.

 

»Es ist einfach toll, auf der Bühne zu sein!«

 

Früher dachte Anthony, dass es sich für alle so großartig anfühlen müsste, bis jemand zu ihm sagte: »Ich hasse es, auf der Bühne zu stehen.« Auch wenn er das inzwischen verstehen kann, geht es dem Bassbariton da ganz anders: »Ich habe zwar während der Probenzeit viel Stress, um das Stück richtig zu gestalten, aber das ist alles vergessen, sobald die Vorstellung losgeht.«

 

Umso mehr vermisst Anthony die Vorstellungssituation, das Auftreten, das Publikum. Umso mehr hatte er sich nach einer längeren probenlosen Phase auf die Neuproduktion von Luisa Miller und sein Debüt als Verdis Wurm gefreut. »Es war so erfrischend, endlich wieder zu proben«, schildert er. »Trotz aller Ungewissheiten und unter Beachtung aller geltenden Einschränkungen haben wir uns in die Arbeit geschmissen, denn wie man so schön sagt: Die Hoffnung – in unserem Fall auf eine Premiere – stirbt zuletzt.«

Umso stärker war auch das Erleben jenes Moments, in dem klar war, dass die szenischen Proben zu Luisa Miller aufgrund der Corona-Situation eingestellt werden müssen: »Obwohl die Entscheidung vollkommen nachvollziehbar und angesichts der Entwicklungen um uns herum keine wirkliche Überraschung war, war ich selbst überrascht, wie sehr es mich getroffen hat.« Auch Anthonys geplante Auftritte als Mozarts Komtur und sein Wagner-Debüt mit der Partie Heinrich der Vogler (Lohengrin) in Erl konnten bisher nicht stattfinden. Engagements und damit seine Rückkehr an die Houston Grand Opera wurden in die Zukunft verschoben …

Im Januar 2020, kurz bevor sich unser aller Alltag im letzten Jahr radikal veränderte, gab Anthony an der Seite der Pianistin Anne Larlee einen Liederabend im Holzfoyer, dessen FLASHBACK nach wie vor abrufbar ist:

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»…, DER BÄCKER HAT GERUFEN …«

Warum ausgerechnet das Backen sein liebstes Hobby ist? »Jeder Tag ist ein neuer Tag. Und gerade beim Singen muss man immer wieder von vorne anfangen – mit dem Üben, mit neuen Rollen usw. Backen ist in dieser Hinsicht einfacher. Und man hat am Ende etwas in der Hand, das man sehen und essen kann.«

Wenn Anthony nicht gerade in der Küche steht, zieht es ihn in seiner freien Zeit raus ins Grüne, zum Wandern. Dass der Taunus mit seinen Bergen – »naja, Hügeln«, grinst er – so gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, findet Anthony großartig. Er mag Frankfurt: »Weil ich hier alles tun kann, was ich gerne mache.« Anthony schätzt die hiesige Kinolandschaft, den Jazzkeller, Sommerabende am Main, die vielseitige Gastronomieszene – dieses Pro teilt sich Frankfurt übrigens mit Houston – und die Frankfurter Küche bis auf eine Ausnahme: »Handkäs überlasse ich gerne anderen«, gesteht er.

 

EIN EINDRUCK, VIELE EINDRÜCKE

Nach einem Jahr in Houston war für Anthony klar, dass er seine Karriere in Europa beginnen und auch wieder näher bei seiner Familie sein wollte. »Ich hatte zum Glück schon einen guten Agenten gefunden, sang an drei Häusern vor – Frankfurt war das erste – und Bernd Loebe hat ziemlich schnell signalisiert, dass er mich gerne in seinem Ensemble hätte. Es lief einfach richtig gut.« Was ihn umso mehr freute, als das mit dem Vorsingen so eine Sache sei … Denn der eigene Eindruck decke sich nicht immer mit dem der anderen, sagt Anthony.

Ganz ähnlich sei es mit der eigenen Stimme, die im eigenen Kopf ja auch immer anders klingt, als andere sie wahrnehmen. »Das muss man als junger Sänger erst einmal verstehen. Da gibt es auch mal den Moment, in dem ein Lehrer meint: ›Ja, das ist besser, jetzt hast du es so gemacht wie ich wollte‹, obwohl man selbst vielleicht genau das Gegenteil versucht hat. Je nach Stimme fühlt sich manches anders an.«

ANTHONY ROBIN SCHNEIDER (MITTE) ALS MÖNCH IN VERDIS »DON CARLO«

 

DIE PASSENDE KRAGENWEITE

Mozart und Händel gelten als DIE Komponisten, um das Singen, um Technik zu lernen, um die Stimme zu pflegen und zu verstehen, wie man sie benutzt. Anthony hat aber eine andere Vorliebe. Von der ersten Begegnung an war klar:

 

»Verdi fühlt sich einfach richtig an. Das ist genau meine Stimmgröße.«

 

Kaum verwunderlich also, dass es die großen Verdi-Partien sind, für die Anthonys Herz besonders schlägt. Mit dem Großinquisitor, den er in Frankfurt vor einem Jahr interpretiert hat, ist bereits ein Rollentraum in Erfüllung gegangen: »Ich hätte nie gedacht, dass ich die Partie schon so früh singen werde. Sie macht großen Spaß. Anders als der König, der den ganzen Abend bestreiten muss, steht der Großinquisitor nur für neun Minuten auf der Bühne. Und trotzdem kann man mit dieser Rolle beeindrucken.« Sagt’s und verabschiedet sich mit großer Vorfreude auf ein neues Kuchenrezept, das er heute noch ausprobieren will.

Text: Mareike Wink

14. Februar 2021

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