OPER – DIE PERFEKTE KUNSTFORM
»Meine große Leidenschaft für das Musiktheater begann, als ich drei Jahre alt war«, sagt Bianca Tognocchi. Eine Leidenschaft, die sie inzwischen zum Beruf gemacht hat und als gefragte Sängerin auf vielen Bühnen ausleben kann – seit der Spielzeit 2020/21 als neues Ensemblemitglied an der Oper Frankfurt. Gleich zu Beginn, bevor wir unsere Pforten Anfang November schließen mussten, war sie als stimmstarke und trotz Corona-Auflagen ungebremst komödiantische Susanna in Mozarts Le nozze di Figaro zu erleben. Im Folgenden erzählt sie von sich und beschreibt, was sie an der Oper so fasziniert.
TAVÀ, DER KASPERL VOM COMER SEE
Bianca Tognocchi hat ihre Kindheit am Lago di Como verbracht. Sie schwärmt von der Schönheit der Landschaft, die sie vermisst. Aber auch die Großstadt Mailand, wo sie am Konservatorium Giuseppe Verdi ausgebildet wurde, war nicht weit. Sie erzählt, wie die Oper schon immer da war: Als Kleinkind nahm der Vater, damals Regieassistent, sie jeden Tag mit ins Theater. Zeichentrickfilme wurden durch Videokassetten von La Cenerentola und Il barbiere di Siviglia ersetzt.
»Mein Traum war schon früh: Sängerin werden. Darin haben mich meine Eltern sehr unterstützt. Sie betreiben seit 40 Jahren ein Puppentheater: Das Teatro dei burattini di Como. Die Puppen mit den liebevoll geschnitzten Holzköpfen werden in der eigenen Werkstatt gefertigt. Im Mittelpunkt der Geschichten steht eine Maskenfigur: der bauernschlaue Matrose Tavà. Aber auch Opern werden auf die Puppentheaterbühne übertragen.«
Kasperlepuppen kommen auch in Keith Warners Inszenierung von Engelbert Humperdincks Oper Hänsel und Gretel vor. Im November hat Bianca Tognocchi als zweite Partie im Festengagement an der Oper Frankfurt das Taumännchen geprobt; doch die geplante Wiederaufnahme fiel Corona-bedingt aus. Zu erleben ist sie derzeit aber virtuell im Livestream unter dem Motto »Bühne frei«:
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MUSIKTHEATER IST DIE KÖNIGSDISZIPLIN
Wenn Bianca Tognocchi über Oper spricht, ist ihr die Begeisterung anzumerken. Dabei scheut die italienische Sopranistin mit der markanten Lockenmähne auch große Worte nicht. Oper, das sei für sie die Königsdisziplin. Und das sagt sie nicht nur, weil sie so gerne als Sängerin auf der Bühne steht.
»Das Musiktheater ist für mich die künstlerische Ausdrucksform, die am höchsten steht. Hier treffen sich Musik und Dichtung in Verbindung mit einer theatralen Handlung. Gibt es etwas Umfassenderes, Perfekteres? Die Oper erreicht alle Bildungs- und Gesellschaftsschichten. Sie spricht von der Menschlichkeit. Wer behauptet, das Musiktheater nicht zu lieben, hat nie eine Aufführung in einem Opernhaus erlebt, da bin ich mir sicher!«
An Deutschland schätzt sie, wie selbstverständlich die Liebe zur klassischen Musik hier ist: »In die Oper zu gehen, gehört einfach dazu. Das wird nicht als etwas Elitäres angesehen, wie in Italien leider häufig. Das Musiktheater ist vielfältig und offen für Diversität.«
SCHWIERIGE LAGE IM MUTTERLAND DER OPER
2018 kam die junge Italienerin nach Leipzig, wo sie zwei Jahre lang Ensemblemitglied war. Den Sprung über die Alpen hatte sie zuvor bei den Tiroler Festspielen in Erl gemacht, wo sie ab 2012, parallel zu zahlreichen Auftritten in Oberitalien, immer wieder zu erleben war – u.a. als Susanna, als Waldvogel und Musetta, als Elvira in L’italiana in Algeri und Amina in La sonnambula. Es fiel Bianca Tognocchi nicht leicht, Italien hinter sich zu lassen. Doch für ihren Beruf war es auf jeden Fall das Richtige. Sorgen macht ihr die Lage der Kultureinrichtungen in ihrem Heimatland:
»In Italien kommen Kunst und Musik für die Politiker an letzter Stelle. Es gibt keine Vermittlung auf breiter Basis, um sich von Kindheit an darin zu üben, klassische Musik zu hören und wertzuschätzen. Dazu bedarf es langfristiger Konzepte – eine Investition, die sich auszahlt. Dabei ist die Oper doch in Italien entstanden! Aber heute ist sie dort eine sterbende Kunst.«

In Frankfurt hat Bianca Tognocchi schon in der letzten Spielzeit als Gilda debütiert. Lucia di Lammermoor sang sie kürzlich in Darmstadt. Als nächstes waren Auftritte als Olga Sukarew in Umberto Giordanos Fedora geplant; doch die Übernahme dieser Produktion von der Königlichen Oper in Stockholm an die Oper Frankfurt muss nun verschoben werden. Die junge Sängerin lässt sich jedoch nicht entmutigen: »Wenn dieser für uns alle schreckliche Moment der Pandemie irgendwann – hoffentlich bald! – nur noch eine schlimme Erinnerung sein wird, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als die Rollen meiner Lieblingskomponisten zu singen: Donizetti, Bellini, Rossini!« Auch eine Partie von Richard Strauss steht auf dem Wunschzettel der Koloratursopranistin: »Ich studiere gerade die Zerbinetta – die würde ich gerne so bald wie möglich singen!«
Mit viel Humor ist die temperamentvolle Sängerin in unserem virtuellen Adventskalender zu erleben: Hinter Türchen #9 verbirgt sich ein wunderbar satirischer Auftritt, den sie zusammen mit ihrem Landsmann, dem Korrepetitor Felice Venanzoni, bestreitet. Da singt sie das neapolitanische Liedchen ‘A vucchella (was so viel wie »das Schnütchen« bedeutet) von Francesco Paolo Tosti auf Verse von Gabriele d’Annunzio sozusagen ins Telefon:
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Text: Konrad Kuhn
31. Januar 2021