CORONA-KRISE: STIMMEN AUS DEM PUBLIKUM

Wie geht es unseren Besucher*innen in dieser besonderen Zeit? Wie kommen sie ohne die Oper aus? Worauf freuen sie sich in der ungewissen Zukunft? Anlass, über Erfahrungen und Wünsche zu sprechen mit:

Michael Meyer, 63, Unternehmensberater / Coach
Felicia Ulmer, 16, Schülerin
Stefan Ernst, 41, Parlamentsstenograph Hessischer Landtag
Doris Höfer, 73, Apothekerin im Ruhestand
Alexander Fay, 36, Studienrat (Englisch, Musik)
Barbara Olszewski, 53, Dipl. Verwaltungswirtin

Wie geht es Ihnen ohne Oper?

Doris Höfer: Ich bin noch in Schockstarre.

Barbara Olszewski: Mein Mann und ich gehen etwa einmal die Woche und vermissen das sehr. Uns ist ein Lebenselixier genommen.

Alexander Fay: Es fehlt was, ich hätte gern das Live-Erlebnis.

Stefan Ernst: Die Live-Kultur generell fehlt.

Felicia Ulmer: Dass alles ausfällt, ist echt traurig.

Michael Meyer: Es ist ungewöhnlich still geworden um die Oper.

DIE OPER FRANKFURT IST SEIT 12. MÄRZ 2020 FÜR BESUCHER GESCHLOSSEN. FOTO: BARBARA AUMÜLLER

Aktuell gibt es nur das digitale Programm der Oper Frankfurt. Wie kompensieren Sie den Wegfall des »Live-Erlebnisses Oper«

Michael Meyer: Ich finde Kompromisse: Opern online wie »Xerxes« hier oder auch die Göttinger Händelfestspiele über den NDR. Aber Konserve ist kein vollwertiger Ersatz. Außerdem stört online die Möglichkeit der Unterbrechung meine Konzentration – die Hingabe geht verloren.

Stefan Ernst: Wir verabreden uns jetzt per Skype zum Operngucken. Aber online ist nicht das Gleiche, die Atmosphäre fehlt: Man betritt ein Gebäude, taucht in eine andere Welt ein, anders als bei mir im Wohnzimmer, womöglich noch in Jogginghose.

Alexander Fay: Es gibt bei YouTube unzählige Angebote, das ist eine Fundgrube: Meisterklassen, Da capo mit Everding, ich schau mir auch die Trailer der Oper Frankfurt an, aber das ist einfach nicht das Opernhaus.

Doris Höfer: Ich würde mir nie eine Oper im Fernsehen ansehen. Ich brauche den Nachbarn neben mir, der schnauft, die Bühne, die lebt. Ich kann den Opernbesuch durch nichts ersetzen, also bis auf Klavier spielen.

Alexander Fay: Als Klarinettist spiele ich gerade mehr Opernliteratur, aus dem Probespielheft, da suche ich mir die Opernstellen.

Barbara Olszewski: Wir kompensieren das auch, indem wir selber mehr Musik machen. Mit meinem Mann, einem ehemaligen Geiger des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, spiele ich Geigenduos. Ich kann per Skype meinen Gesangsunterricht weiter nehmen. Das geht erstaunlich komprimiert, ähnlich den Videokonferenzen. Ich singe aus Puccini-Opern, Puccini liebe ich!

Felicia Ulmer: Oper, Orchester, Geigenstunden, fällt alles aus. Da bleibt mir nur zu üben. Das hat bei mir natürlich eine andere Dimension, aber ich kann schon nachvollziehen, wie sich die Orchestermusiker*innen fühlen. Seit der 6. Klasse spiele ich im Orchester und vor jeden Sommerferien gibt es ein Konzert. Dass da mal ein Jahr Pause ist, ist einerseits schade, andererseits eine Erleichterung. Man kann besinnlicher sein, Beziehungen pflegen, in die Natur gehen!

Doris Höfer: Ich stelle fest, ich hatte mich ganz schön vollgepackt mit Events. Neulich wusste ich gar nicht mehr, welcher Roman da auf der Bühne gespielt wurde. Man sollte die Kultur schon gut dosieren.

Welche Aufführungen fallen für Sie aus?

Barbara Olszewski: »Salome« hätten wir uns gern ein zweites Mal angesehen, dabei saßen wir an dem 13. März im Saal, als wir fortgeschickt wurden, konnten sie also überhaupt nicht sehen. Die Wiederaufnahme von »Romeo und Julia auf dem Dorfe«, die konzertante Aufführung von »Mignon«, das ist ja was ganz Ausgefallenes. Die ganzen Liederabende!

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Alexander Fay: Für mich privat entfallen »Salome«, »Jeanne d’Arc«, »Das schlaue Füchslein«, »Bianca e Falliero«, »Der Rosenkavalier«, »Tristan und Isolde«, die einzige große Wagner-Oper, die mir noch fehlt, und der »Prinz von Homburg«. Als Lehrer mussten wir leider einen Orchesterprobenbesuch absagen. Ich hätte den Kids auch gern die Möglichkeit gegeben, sie an die Oper heranzuführen, sie daran teilhaben zu lassen. Das holen wir mit der entsprechenden Vorbereitung nach, sobald es wieder geht.

DORIS HÖFER BEIM OPERNWORKSHOP ZU »SALOME« AM 8.3.2020 BEI IHRER EINFÜHLUNG IN DIE ROLLE DES HERODES. FOTO: BARBARA AUMÜLLER

Doris Höfer: Ich war im Workshop zur »Salome« und konnte dann nicht mehr in die Vorstellung gehen. Das habe ich schon sehr vermisst.

Felicia Ulmer: Ich wäre beim Operntag »Das schlaue Füchslein« gewesen. Und ich würde gern im September »Nozze di Figaro« sehen. Es gibt so verschiedene Arten, die man mögen kann. Opern sind wie Menschen, bei dem einen mag man das, beim anderen das, andere mag man gar nicht. Aber mit Opern, da könnte ich mich mit vielen anfreunden. »Tristan und Isolde« neulich hat mich sehr beeindruckt, diese ganze Beziehungsunfähigkeit! Oder »Don Giovanni«, so ganz klassisch mit Drama und Mord und Verrat und der Böse stirbt am Ende und dann singen sie am Schluss wie im Märchen. Nicht ganz jugendfrei!

Michael Meyer: Ich weiß momentan gar nicht, was ich alles verpasse. Das Opernabo ist ja sehr komfortabel, es führt mich auf ungewohntes Terrain. Ich habe noch keine wirklich schlechte Oper gesehen, selbst wenn sie meinem Geschmack nicht entspricht. Frankfurt ist nicht Massenproduktion, trotz der hohen Menge an Stücken, sondern pflegt Vielfalt an Dirigent*innen, Bühnenbildner*innen, musikalischen Richtungen, das ist eine unglaubliche Leistung. Es gibt Häuser, die sind ihrem Stil treu. Frankfurts Stil ist es, keinem Stil treu zu sein.

Was wünschen Sie sich für die Zwischenzeit?

Stefan Ernst: Corona ist die Chance, über die Online-Angebote hinter die Kulissen zu schauen. Ensemblemitglieder stellen sich vor, Musiker*innen stellen sich irgendwelchen Challenges, das hat was.

Felicia Ulmer: Online würde mich noch mehr Backstage interessieren. Interviews mit den Darsteller*innen, wie aufgeregt sind sie vor dem Auftritt? Auch die Leute auf der Bühne, die nicht auftreten, das sind ja ganz viele, was ist das dann für ein Gefühl, daran teilzuhaben? Es sollte aber auch nicht zu viel verraten werden, damit die Magie nicht komplett weg ist.

Barbara Olszewski: Es wäre toll, wenn bald Gesangsduette als Liederabende möglich wären, da gibt es doch so viel aus Oper und Lied!

Michael Meyer: Probiert neue Formate aus – lasst Ehepaare mit Pianist*in auf der Bühne proben.

Worauf freuen Sie sich besonders, wenn Oper wieder möglich sein wird?

Felicia Ulmer: Vielleicht habe ich Lust auf einen Wagner-Marathon*? Oder diese ganzen italienischen Buffo-Opern, die sind witzig.

»LE NOZZE DI FIGARO« VON WOLFGANG AMADEUS MOZART IN DER OPER FRANKFURT. FOTO: BARBARA AUMÜLLER

Barbara Olszewski: Ich freue mich besonders auf die nächste Premiere, wenn wir mit unseren Freunden, Freaks und Fans und den Mitwirkenden aus dem Haus wieder Kontakt haben können.

Stefan Ernst: Nicht alle Häuser, in die ich so gehe, bieten einen Stream an, es entsteht eine Art Vakuum. Besonders in Frankfurt freue ich mich auf das Ensemble, die starken Inszenierungen, die Live-Musik.

Alexander Fay: In die Oper gehen, den Platz einnehmen, die Musiker zu erleben, zu schmunzeln, wenn ich mein eigenes Instrument höre, die Klarinette, und wenn’s dann losgeht und man den Musikgenuss hat.

Doris Höfer: Ich freue mich auf das Gemeinschaftsgefühl. Dass da ein Haufen Leute sitzt, die sich verzaubern lassen. Ich versuche immer, mit meinen Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Ich würde auch mit denen reden, wenn sie zwei Meter von mir weg sitzen!

Michael Meyer: Der Mensch ist ein soziales Wesen, und so freue ich mich auf das gemeinsame Klatschen, auf das »Bravo / Brava« rufen.

Barbara Olszewski: Auf die nächste Vorstellung, die läuft.

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*Tipp für Wagner-Fans: Ab Dienstag, 19. Mai, läuft der Opernzyklus »Der Ring des Nibelungen« im Stream im Rahmen des Programms von »Oper Frankfurt zuhause«, mehr unter www.oper-frankfurt.de/zuhause.

Die Publikumsstimmen sammelte Iris Winkler, Opernpädagogin und Mitarbeiterin von JETZT! in der Oper Frankfurt. 

17. Mai 2020

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