CORONA-KRISE: INTERVIEW MIT BERND LOEBE

In dieser außergewöhnlichen Zeit, die das private, öffentliche und berufliche Leben aller Menschen bis aufs stärkste einschränkt, haben wir mit dem Intendanten Bernd Loebe gesprochen. Wie erlebt er die Krise und was passiert im Moment eigentlich in der Oper Frankfurt?

Bernd Loebe, Intendant der Oper Frankfurt im Gespräch
BERND LOEBE, INTENDANT DER OPER FRANKFURT, IM GESPRÄCH

Wie gehen Sie als Intendant eines großen Hauses mit der Nachricht um, auf unbestimmte Zeit geschlossen zu sein?
Diese Situation ist für uns alle außergewöhnlich und herausfordernd. Wir können lediglich wochenweise im Kreise der Theaterleitung zusammenkommen und dann auf die aktuelle Situation reagieren. Das Planen wird durch die Ungewissheit erschwert, dass niemand sagen kann, wann wir wieder »normal« spielen oder proben können. Ein Plan, den man in dieser Woche macht, ist in der Woche darauf schon wieder hinfällig. Es ist ungewohnt, dass wir unsere normalerweise aktive, kreative, gestalterische Rolle nur sehr begrenzt wahrnehmen können und erkennen müssen, dass die unabhängige und freie Kunst auf einmal sehr unfrei ist.

Haben Sie etwas Vergleichbares in Ihrer Zeit an der Oper Frankfurt schon einmal erlebt?
Nein, wer könnte sagen, dass er so etwas schon einmal erlebt hat? Der Zusammenbruch des öffentlichen, gemeinschaftlichen Lebens. Die häusliche Isolation als Gebot der Stunde. Normalerweise brauchen wir Kontakt und persönlichen Austausch, menschliche Begegnungen gerade in Krisenzeiten. Darauf zu verzichten, fällt schwer. Mir selbst scheint die Situation bisweilen surreal und nur schwer begreifbar.

Wie sehen Ihr Alltag und der Ihrer Mitarbeiter*innen aktuell aus?
Im Moment darf das Theater nur von sehr wenigen Mitarbeiter*innen betreten werden. Der Probenbetrieb ist ausgesetzt und auch in den Werkstätten wird nicht gearbeitet. Wir hoffen sehr, dass wir durch die strenge Einhaltung aller Vorgaben dazu beitragen, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen und dass wir bald wieder im Theater arbeiten können. Ich treffe mich etwa einmal in der Woche mit meinem Kollegen Anselm Weber und dem Leitungskreis, um zu überlegen, wie wir weiter verfahren werden. Ansonsten sprechen wir telefonisch, per E-Mail oder in Videokonferenzen. Wir haben so viele Mitarbeiter*innen wie möglich mit einem Homeoffice-Arbeitsplatz ausgestattet und die Kolleg*innen unserer EDV leisten dabei hervorragende Arbeit. Bei allen, die zurzeit ins Haus kommen müssen, um die nötigsten Arbeiten zu erledigen, möchte ich mich herzlich bedanken!

Die Corona-Krise trifft freiberufliche Künstler*innen besonders hart. Was kann die Oper und jeder einzelne von uns tun, um die Künstler*innen zu unterstützen?
Zuerst einmal möchte ich mich bedanken für das Verständnis unserer Besucher*innen und vor allem bei unseren treuen Abonnent*innen. In dieser Notsituation sind wir besonders darauf angewiesen, dass die Opernfreund*innen zu uns stehen. Das manifestiert sich darin, dass viele auf die Erstattung der Eintrittsgelder für ausgefallene Vorstellungen verzichten, was uns enorm hilft, den besonders schwer betroffenen freiberuflichen Künstler*innen zu helfen. Die Verträge dieser Künstler*innen haben sich von heute auf morgen ins Nichts aufgelöst. Wir versuchen in diesen Fällen Ersatzverträge in anderen Produktionen und späteren Spielzeiten anzubieten, aber das Geld fehlt ihnen natürlich jetzt. Was die finanziellen Konsequenzen für die Oper Frankfurt anbelangt, hoffe ich inständig, dass wir gemeinsam mit unseren Trägern einen Weg finden, um mit dem Defizit für diese Spielzeit so umzugehen, dass die kommenden Spielzeiten möglichst wenig tangiert werden. Richtig beziffern lässt sich das aber erst, wenn wir sicher wissen, ab wann wir wieder spielen können.

Bernd Loebe in seinem Büro in der Oper Frankfurt zu einer Zeit, als der Betrieb noch normal laufen konnte.
BERND LOEBE IN SEINEM BÜRO IN DER OPER FRANKFURT ZU EINER ZEIT, ALS DER BETRIEB NOCH NORMAL LAUFEN KONNTE

Können Sie an der aktuellen Situation auch etwas Positives finden?
Sicher verhalten sich alle im Moment sehr rücksichtsvoll und entdecken neue Arten der Kommunikation und digitalen Zusammenarbeit. Vielleicht kann man davon auch etwas für die Zukunft erhalten. Für unsere Kunstform ist es aber wichtig, dass Menschen zusammenkommen können, sowohl im Zuschauerraum, auf und hinter der Bühne als auch im Orchestergraben. Vielleicht bemerken viele, dass etwas Wesentliches fehlt, wenn man plötzlich nicht mehr ganz selbstverständlich in die Oper gehen kann und zeigen nach der überwunden Krise mit Ihrem Besuch den Kunst- und Kultureinrichtungen, wie wichtig diese sind.

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Der Spielbetrieb der Oper Frankfurt ist laut aktuellem Stand noch bis voraussichtlich 19. April eingestellt. Die Fragen stellte Linda Herrmann unter Einhaltung der vorgeschriebenen Abstandsregeln.

27. März 2020

4 Responses

  1. Guten Tag,

    ich habe die Aussagen Herrn Loebes aufmerksam gelesen und befürworte ausdrücklich die beschlossenen Restriktionen, da es, angesichts dieser Pest des 21. Jahrhunderts, keine anderen Möglichkeiten zum Schutz von Leben und Gesundheit der Mitarbeiter und des Publikums gibt.

    Ich verstehe natürlich die Freude des finanziell angespannten Hauses darüber, dass etliche Besucher auf die Erstattung der Ticketpreise verzichten, um dem Hause somit ihre Solidarität zu zeigen.

    Aber ich möchte auch ein wenig Verständnis für die Bürger erwecken, die sich dies schlicht und einfach nicht leisten können.

    Ich lebe und arbeite seit vielen Jahren in Selbstausbeutung im freikulturellen Bereich und verfüge somit nur über wenige hundert € im Monat.

    Dennoch habe ich mir, als regelrechter Fan des Opernhauses und des dort tätigen wunderbaren Ensembles, Orchesters und Chores für den 3. Rang bis zum Juli etliche Karten im Vorverkauf gesichert und mir in einem Kraftakt das Geld dafür vom Munde abgespart. Es fehlt dadurch an allen Ecken und Enden, aber das ist mir die Teilhabe an den wunderbaren Erlebnissen, die das Haus stets bietet, wert gewesen.

    Nun aber, da diese Veranstaltungen Epidemiemässig reihenweise ausfallen müssen, bin ich auf die Rückerstattung dringend angewiesen, da ich ja auch mein Quarantäne-Ersatzleben mit hohen Telephon- und Portokosten etc. irgendwie finanzieren muss.

    Ich bitte also, mir Notwendigkeit und Wunsch auf Rückzahlung etwas nachzusehen.

    Ich habe die Karten bis einschliesslich 19. April per E-Mail und Scan an die angegebene E-Mail-Adresse eingesandt und hoffe, auch wenn das bei eingeschränktem Verwaltungsbetrieb im Hause etwas dauert, auf die schliessliche Rückerstattung des Ticketgeldes.

    Mit besten Wünschen bezüglich der Wohlfahrt des von mir so innig geschätzten Hauses sowie der Hoffnung auf baldigst mögliche Wiederaufnahme des Spielbetriebes

    frohen Ostergrüssen

    und freundlichem Gruss

    Rainer Hauptmann

    1. Lieber Herr Hauptmann,

      vielen Dank für Ihre Nachricht. Angesichts der Verluste durch die temporäre Schließung der Oper sind wir zutiefst dankbar, wenn uns diejenigen unterstützen, die derzeit auf die Rückerstattung ihrer Tickets verzichten können. Von der aktuell prekären Lage besonders der zahlreichen freischaffenden Künstler wissen wir natürlich und sind durch unsere Zusammenarbeit mit zahlreichen Künstlern sehr nah dran an den Sorgen und Nöten, die die Corona-Krise hervorgerufen hat. Diesen Personen wünschen wir für die kommende Zeit nur das Beste und erwarten selbstverständlich nicht, dass sie auf Rückerstattungen verzichten.
      Unser Team im Kundenbüro arbeitet derzeit auf Hochtouren, um die unzähligen Anfragen und Rückzahlungen zu bewältigen – dies wird durch die nun geforderten Sicherheitsmaßnahmen nicht vereinfacht. Daher bitten wir Sie und alle, die noch auf eine Rückzahlung warten, um Ihre Geduld und Verständnis.

      Wir freuen uns darauf, Sie in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit wieder als Besucher in der Oper Frankfurt begrüßen zu dürfen.

      Bleiben Sie gesund und beste Grüße

      Ihre Oper Frankfurt

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