HAUPTSACHE KULTUR © HESSISCHER RUNDFUNK – www.hr.de
Wenn auf der Großen Bühne der Vorhang hochgeht, ist Renate Müller im Garderobengang der Solisten jeden Abend ganz vorne mit dabei. Sie sorgt dafür, dass die Herren-Soli nicht nur ein Kostüm anhaben, sondern dass dieses auch ordentlich aussieht und alles stimmt. Also führt Renate Müller penibel Buch und notiert sich alle Kleinigkeiten zum Kostüm. Und der »gute Geist des Herrensolo« kennt seine Sänger, die Renate liebevoll »meine besonderen Pflänzchen« nennt. Sie weiß nicht nur, dass der Bass Andreas Bauer ein Linkshänder ist, sondern wirkt zuweilen auch pädagogisch ein und schimpft: »So geht das nicht, das zweite Spind räumst du bitte!« »Und wohin soll ich dann mit meiner Angel?«, ist die empörte Antwort des Sängers.
Renate muss lachen: Nach fast 20 Jahren Berufserfahrung, bleibt die Frau, die ursprünglich Kostümbild studieren wollte, stets gut gelaunt und gelassen. Das, was wir hier abends leisten, kannst du so gar nicht lernen!« Klassischerweise haben die Damen und Herren der Garderoben-Abteilung eine Schneiderlehre absolviert und sind vor allem durch »learning by doing« zu Meistern ihres Fachs arriviert.
Wie alle anderen der insgesamt 13 Ankleider*innen tut sie alles dafür, dass sich die Sänger*innen während ihrer Proben und Vorstellungen in der Oper wohl fühlen. Manch einer kann nur singen, wenn sein Hund in der Garderobe auf ihn wartet… Währenddessen sorgt das aufmerksame Team der in den Garderoben Beschäftigten dafür, dass zum Beispiel Nähte, die sich auf der Bühne öffnen, in der Pause wieder geschlossen werden. Manchmal wird rasch von Hand vernäht, manchmal kommt die gute Sicherheitsnadel zum Einsatz.
Oft können sich die Darsteller*innen wegen der aufwändigen Kostüme zudem nicht selbst an- und ausziehen, weshalb allein für die 40 Damen im Damenchor am Abend drei bis vier Ankleider*innen parat stehen, die ihren Sänger*innen mit viel Respekt und Liebe begegnen, ihnen mit Taschentüchern oder Wasserflaschen auf der Seitenbühne auflauern, Bademäntel reichen oder nackten Füßen Badeschlappen bereit stellen. Besonders starke Nerven bewahren die Damen und Herren immer dann, wenn es um sehr schnelle Umzüge geht.
Der Dienst der Garderobieren beginnt an Vorstellungstagen um 14 Uhr, zunächst muss die Wäsche aus der Wäscherei geholt und sortiert werden. Dabei sind Etiketten, die sich in den Kostümen befinden, besonders wichtig, um die Teile den einzelnen Produktionen und den einzelnen der manchmal fast 100 Darsteller*innen zuordnen zu können. Am Nachmittag werden die Kostüme gebügelt und auf intakte Verschlüsse kontrolliert. Wenn alles durchgesehen ist, werden die Garderobenständer aus dem 5. Stock des Hauses in die einzelnen Garderoben gefahren.
Wenn sie an einem Abend zusätzliche Statisten, den Extrachor und Kinder erwarten, bleiben auch Jan Happel und Maxi Friedl cool. Was ihnen am meisten Spaß macht? Die Antwort lautet durch alle Garderoben in den verschiedenen Stockwerken gleich: »schnelle Umzüge!« Beispielsweise Alcina in Orlando furioso in 20 Sekunden aus einem glitzernden Goldkleid holen und ihr in ein türkisfarbenes Kleid helfen, das Ganze während eine Maskenbildnerin der Sängerin die Perücke vom Kopf nimmt und ihr rasch auch noch eine neue Frisur zaubert? Kein Problem! Die beteiligten Damen lachen und erzählen, dass sie es zum Schluss sogar in 16 Sekunden geschafft haben! Zimperlich darf da keine der Beteiligten sein: Zunächst wird der Sängerin das Kostüm vom Leib gerissen, eine Ankleiderin zieht von unten die Strümpfe hoch und hilft der Sängerin in die Schuhe, während das neue Kleid hochgezogen, von hinten der Reißverschluss geschlossen und von vorne das Halstuch zugebunden, und Ohrclips angesteckt sowie die Handschuhe bereitgehalten werden. Dank der guten Geister im Hintergrund sieht Alcina aus wie neu!
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Text: Deborah Einspieler
9. März 2018
Danke ben86, liest sich gut.
Danke für den Gewinn. Habe mich sehr gefreut